Hamburgs designierter Kultursenatorin Barbara Kisseler sollte es eine Warnung sein. Ihre Vorgängerin Karin von Welck hat die Tücken des Jobs kennengelernt

Der Vorschusslorbeer sagt alles: Barbara Kisseler wird als Retterin in der Not betrachtet. Kein Wunder nach den Erfahrungen der letzten fünf Monate, in denen mit Reinhard Stuth ein Mann an der Spitze der Hamburger Kulturverwaltung gestanden hat, der, wie man früher zu sagen pflegte, von der Materie so viel Ahnung hatte wie die Kuh vom Samba-Tanzen.

Ähnlich optimistisch hat die Kulturszene wohl nur dem Amtsantritt von Karin von Welck entgegengesehen, die vor sieben Jahren Dana Horakova ablöste. Eine vom Boulevardjournalismus kommende Dame, die die Hamburger gleich mit der Bemerkung erschütterte, sie sei entschlossen, Kulturpolitik für jene zu machen, "die das Licht der Welt nicht in einer Wiege mit Goethe unterm Ärmchen erblickt" hätten. Der Rest der Senatorin Horakova ist Geschichte: Diese auf Populismus und Glamour bedachte "Laiendarstellerin" ("Die Zeit") musste nach zwei Jahren gehen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, heißt es bei Hermann Hesse. Das gilt auch für Hamburgs neue Kultursenatorin Barbara Kisseler, die aus Berlin ein paar klare Credos mitbringt. Zum Beispiel, dass Kultur mehr ist als ein staatlich verordnetes Beruhigungsmittel. Oder dass ein Kulturetat nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob es in der Wirtschaft gerade gut oder schlecht läuft. So oder so ähnlich wird die 61-Jährige das auch Olaf Scholz gesagt haben, und siehe da: Der Kulturetat soll erhöht werden. Konkrete Zahlen will die designierte Senatorin bislang zwar noch nicht nennen, aber daran, dass die neue SPD-Regierung "ein valides Bekenntnis zur Notwendigkeit der Steigerung des Kulturetats" ablegen wird, hegt Kisseler keinen Zweifel. Das hat sie dem Abendblatt gegenüber gerade gesagt.

Kisseler versteht sich also als Anwältin der Kultur. Das zu hören, wird alle Hamburger freuen, denen in der kurzen Ära Stuth am Ende nur noch die Haare zu Berge gestanden haben. Aus Angst um die Museumslandschaft, aus Wut um den Umgang mit dem Schauspielhaus. Andererseits ist Barbara Kisseler nicht durch Protest aufgefallen, als der Regierende Bürgermeister von Berlin den Posten des Kultursenators vor fünf Jahren mit der flapsigen Bemerkung abschaffte, das werde er, Klaus Wowereit, künftig einfach mit erledigen. Jedenfalls war öffentlich nichts von Kisseler dazu zu hören. Vielleicht ja deshalb, weil Wowereit sie damals zur Chefin seiner Senatskanzlei machte.

Barbara Kisseler und ihre Vorgängerin Karin von Welck (das unrühmliche Gastspiel des Herrn Stuth lassen wir hier einfach mal weg) verbindet mehr, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Beide Frauen stammen ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen, beide haben sich den Zugang zum Senatorenamt auf dem Umweg über Berlin erarbeitet. Die Ethnologin Karin von Welck war Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, bevor sie 2004 den Ruf Ole von Beusts erhörte und nach Hamburg ging, die Theaterwissenschaftlerin und Germanistin Barbara Kisseler war in Berlin bereits drei Jahre lang Kulturstaatssekretärin, als sie die Leitung der Senatskanzlei übernahm. Beide Frauen sind bis heute parteilos.

Ebenso wie von Karin von Welck damals erhofft man sich von Barbara Kisseler in der Hamburger Kulturszene jetzt nicht nur Expertise, sondern auch Durchsetzungsvermögen. An Selbstbewusstsein fehlt es Kisseler, die der damalige SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier im Falle seines Wahlsiegs zur Kulturstaatsministerin machen wollte, nicht. Sie gehe davon aus, dass man über Sach- und Fachkompetenz verfügen müsse, wenn man auf einen Senatorenposten berufen werde, hat Barbara Kisseler vergangene Woche gemeint. (An dieser Stelle kein weiteres Wort über Reinhard Stuth!)

Dass der Job seine Tücken hat, wird die Neue wissen. Hätte sie daran irgendwelche Zweifel, müsste sie nur auf das Ende der Ära von Welck blicken, das weniger glanzvoll war. Fehleinschätzungen, der schwindende Rückhalt im Senat, zermürbende Etatverhandlungen und die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie überdeckten die Erfolge ihrer engagierten Arbeit.

Karin von Welck hat im vergangenen Sommer entnervt das Handtuch geworfen. Barbara Kisseler, die ihrer neuen Aufgabe in Hamburg mit so viel Freude entgegensieht, sollte das eine Warnung vor den Mühen sein, die zweifellos auf sie zukommen werden.