Eine Szene macht den Unterschied. Vier berittene Halunken duellieren sich auf einer großen Lichtung mit dem einäugigen Marshal Rooster Cogburn. Jeff Bridges, Darsteller anno 2011, hält die Zügel irgendwie im Mund fest und fuchtelt ungelenk mit zwei Revolvern in der Luft herum. John Wayne, der Cogburn von 1969, beißt voller Wut auf den Lederriemen und zielt mit Colt in der linken und Winchester in der rechten Hand entschlossen auf seine Gegner. Seine Bewegungen mit den Schusswaffen wirken dabei so natürlich, als hätte er nie etwas anderes getan.

Hatte er ja auch nicht. In 83 Western war Wayne dabei, bevor Regisseur Henry Hathaway ihn 1969 als versoffenen, einäugigen Marshal besetzte. Der "Duke", so Waynes Spitzname, hantierte mit Schusswaffen so filigran und selbstverständlich, als wären sie ein Teil seines Körpers.

John Wayne ist Western. Auch wenn er manch andere Rolle gespielt hat, Soldaten, Piloten, Polizisten, der Schauspieler wird mit dem Genre identifiziert wie niemand sonst. "Mit den Cowboystiefeln und seinem Hut war er sieben Fuß groß. Er sah einfach aus, als sei er ein Teil der Landschaft", beschrieb Geraldine Page einst die Wirkung ihres Leinwandpartners im - na, klar - Western "Hondo".

Bei Jeff Bridges, 1949 und damit 42 Jahre nach Wayne geboren, ist das anders. Er lässt sich nicht auf Genres, Rollen oder gar Archetypen festlegen. Ob als "König der Fischer", "Big Lebowski" oder als fabelhafter Baker Boy, Bridges ist ein extrem vielseitiger, lange unterschätzter Schauspieler. Dabei kam sein Durchbruch bereits mit der ersten größeren Rolle: In "Die letzte Vorstellung" (1971) spielte Bridges unter der Regie von Peter Bogdanovich und wurde gleich als Bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert.

Drei Jahre später gelang ihm dies erneut mit dem Streifen "Den letzten beißen die Hunde" von Regisseur Michael Cimino. Jetzt, mit 61 Jahren, steht er auf dem Zenit seiner Karriere. Für die Darstellung eines abgehalfterten Country-Musikers in Scott Coopers Drama "Crazy Heart" erhielt Bridges 2010 nach 56 Filmen den Oscar sowie den Golden Globe Award und den Screen Actors Guild Award.

Mehr geht nicht. Bridges ist ein Star. Bislang hat dem wortkargen Querkopf gerade diese Rolle nicht behagt. Stets hat er sich dem Hollywood-Rummel verweigert und immer wieder schräge Rollen in Autorenfilmen angenommen. Der "Dude", so sein Spitzname seit dem Film "The Big Lebowski", mag kein Establishment. Wayne dagegen war das Establishment. Dass ausgerechnet Bridges sich an Waynes Paraderolle herantraut, zeugt von Mut, vor allem aber vom Respekt vor dem Duke.

Auf Vergleiche angesprochen, wiegelt Bridges im Interview mit dem "Zeit-Magazin" ab: "Ich ziehe mir nicht die Stiefel des Duke an - du liebes bisschen, wer wäre so verrückt, das zu tun?" Was soll der Mann auch sagen? Waynes Stiefel sind zu groß.

John Wayne ist ein nationales Heiligtum. "Der Western ist unsere Folklore", erklärte der Duke in einem Interview. "Und die Folkore eines Landes kann nicht vergehen." Diese Ära der Pioniere ist der historische Kitt einer Nation ohne kulturelle Wurzeln. Wayne, der Ahab der Prärie, ist ihr Gralshüter.

Wer die beiden "True Grit"-Filme vergleicht, das Original im klassischen Hollywood-Stil, das Remake düster und voll schwarzem Coen-Brüder-Humor, sieht zwei außerordentlich präsente, begnadete Hauptdarsteller - mit einem entscheidenden Unterschied: Bridges spielt Rooster Cogburn, die Figur der literarischen Vorlage von Charles Portis.

Wayne spielt sich selbst, ironisch gebrochen, ein Abziehbild seines Heldenimages. Nur er konnte sich diese Parodie leisten und erhielt dafür seinen einzigen Oscar. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir vor 35 Jahren schon eine Augenklappe zugelegt", sagte der damals 62-Jährige bei der Preisübergabe. Die Auszeichnung war längst überfällig, denn bereits in "Red River" (1948) und vor allem in "The Searchers" (1956) hatte er schauspielerische Geniestreiche hingelegt.

Übrigens: Als Einäugiger hat Bridges nur links den Durchblick, Wayne rechts. Verkehrte Welt. Denn John Wayne, überzeugter Republikaner, war politisch auf dem rechten Auge blind. Jeff Bridges dagegen gilt als unbequemer Liberaler. Doch wie gesagt: Er spielt ja nur den Marshal. John Wayne ist der Marshal.