Alexander Porschke (GAL), 56, war Umweltsenator, ist heute Vorsitzender des Nabu Hamburg (Naturschutzbund).

1. Hamburger Abendblatt:

Hamburg ist 2011 "europäische Umwelthauptstadt". Wird der Titel "Green Capital" die Stadt verändern?

Alexander Porschke:

Das hoffen wir Umwelt- und Naturschutzverbände natürlich. Die Umwelthauptstadt birgt enorme Chancen, aber auch Herausforderungen, die mit konkreten Veränderungen verbunden sind. Viele formulierte Ziele - ob Stadtbahn, städtischer Naturschutz, ehrgeiziger Klimaschutz oder mehr Radfahrstreifen - sind bislang nur Versprechen. Europa schaut auf uns: Nun muss Hamburg liefern.

2. Einige halten den Titel "Green Capital" allerdings für Etikettenschwindel ...

Porschke:

Sicher gibt es berechtigte Kritik am Umweltzustand in Hamburg. Aber die Experten der EU haben bei der Auswahl der Umwelthauptstadt die Bewerber genau geprüft und Hamburg erkoren. Es mag sein, dass unter den Blinden der Einäugige König ist. Aber nun hat Hamburg die Chance, den Titel Umwelthauptstadt mit Leben zu füllen. Diese Chance muss die Stadt nutzen - aber sie kann es auch noch versemmeln.

3. Sie waren selbst Umweltsenator. Kann die Behörde - nach dem Koalitionsbruch ohne eigenen Senator - das Projekt Umwelthauptstadt überhaupt ausreichend anschieben?

Porschke:

Wir fangen ja nicht bei null an, sondern haben bereits eineinhalb Jahre Arbeit hinter uns. Und die Eröffnungsveranstaltung hat noch unter Schwarz-Grün stattgefunden. Es ist bedauerlich und ärgerlich, dass die Umweltpolitik durch den Koalitionsbruch geschwächt ist. Mich hat der Zeitpunkt der Entscheidung überrascht, auch wenn die Gründe nachvollziehbar sind.

4. Der Umweltverband BUND ist öffentlichkeitswirksam aus dem Projekt ausgestiegen, weil er sich am Sponsor Siemens stört. Warum sieht der Nabu das entspannter?

Porschke:

Wir hätten uns auch einen anderen Sponsor gewünscht. Aber beim Projekt Umwelthauptstadt ist es ein bisschen wie beim Recycling - das funktioniert auch nur, wenn Staat, Unternehmen und Bürger zusammenarbeiten. Jetzt das Trennende zu betonen macht gemeinsame Erfolge für Natur- und Umweltschutz schwieriger. Das hätte ich mir anders gewünscht.

5. Gibt es eine Re-Ideologisierung der Umweltbewegung?

Porschke:

Natürlich haben einige gefragt, ob Siemens mit seiner Atomsparte ein Sponsor sein kann. Die Kritik finde ich verständlich und nicht ideologisch. Aber man darf nicht übersehen, dass Siemens nur städtische Veranstaltungen sponsert, nicht die Umweltverbände, die sich weiterhin gegen Atomenergie und für reale Verbesserungen von Natur- und Umweltschutz in unserer Stadt engagieren.