Sie haben ein Recht auf Einnahmen - auch von Kitas. Über eine maßvolle Gebühr für Kopien ließe sich das wie an den Schulen regeln, empfiehlt der Musikexperte

Eine Meldung des Abendblatts wurde zum Aufreger: "Hamburger Kitas sollen fürs Singen Gebühren zahlen". Worum geht es? Keiner will den Kindern das Singen nehmen. Es geht um die Lieder. Die werden in der Regel von Komponisten und Textdichtern, von Liedermachern erdacht und von Verlagen gedruckt. Die haben den Rechtsanspruch auf ein Entgelt, wenn ihre Lieder fotokopiert oder aufgeführt werden.

Rechtlich gilt zwar ein fast absolutes Fotokopierverbot - aber kaum einer hält sich dran. Noten und Lieder werden häufig fotokopiert ohne Genehmigungen durch Urheber oder Rechteinhaber, ohne dass diese etwas dafür bekommen. Die Kopiergeräte sind ein großer Fortschritt, gehören zur Informations- und Wissensgesellschaft, erleichtern uns die Materialbeschaffung und die Kommunikation. Aber Urheber, Komponisten und Verlage wollen auch leben. Ein Verleger: "Wir sitzen in der Badewanne und der Stöpsel ist raus. Das Ende ist abzusehen!" Nicht nur die Handwerker wollen für ihre Leistungen bezahlt werden, auch die Kopfwerker, die Kreativen. Wenn die Kreativen nicht von ihrer Arbeit leben können, müssen sie ihre Tätigkeit einschränken oder beenden. Eine Gesellschaft, deren Hauptressource das ist, was sie in den Köpfen hat, muss die Kopfarbeit auch zu finanzieren bereit sein.

Bewusstseinsbildung ist notwendig zur Bedeutung der Kreativen, des geistigen Eigentums und wie Kopierer rechtskonform genutzt werden können. Damit müssen wir bei den Kindern in der Schule anfangen, das müssen wir Erwachsene vorleben, das gehört zur Bildung, zur Medienkompetenz.

Die VG Musikedition in Kassel ist von Verlegern beauftragt, Abhilfe zu schaffen. Sie geht den Rechtsweg. Da sie keinen Inkassobetrieb hat, bat sie die große Gema um Unterstützung. Seit Anfang 2010 bietet die Gema den Kitas, Tagestätten und anderen vorschulischen Einrichtungen Kopierlizenzen an. Kopiert darf dann werden, aber gegen Kasse. Für 56 Euro pro Jahr (zuzüglich sieben Prozent Mehrwertsteuer dürfen jährlich bis zu 500 Kopien von Noten und Liedtexten angefertigt werden, für 501 bis 1000 Kopien sind 112 Euro zu zahlen etc., von der 10001ten bis zur 20 000ten Kopie ist der Maximalbetrag von 2224 Euro fällig. Spätestens jetzt stellen sich Fragen ein. Stand hier ein angemessener Realismus Pate? Oder probiert man, was zu holen ist?

Wie viele Kitas fertigen überhaupt 500 Kopien pro Jahr an!? Die Vorschulkinder bekommen in aller Regel keine Liedkopien in die Hand, denn sie können weder Texte noch Noten lesen. Die Erzieherinnen bringen ihnen die Lieder durch Vor- und Nachsingen bei. Es ist pädagogisch und kulturell sehr sinnvoll, den Eltern ein Liedblatt mitzugeben, damit sie das Lied zu Hause mit den Kindern singen. Hier sind Kopien praktisch, aber wie oft kommt das vor? Soll tatsächlich gezahlt werden, wenn die Kita Eltern zur Weihnachtsfeier einlädt und alle drei bis fünf Weihnachtslieder singen? Auch für öffentliche Auftritte soll gezahlt werden. Wie oft macht man mit Drei- bis Fünfjährigen Kita-Kindern öffentliche Auftritte? Gar gegen Eintritt? Hat da mal jemand von der VG Musikedition recherchiert? Und Kinder, die früh für Musik begeistert werden, gehen später als Erwachsene eher in Konzerte, zahlen Eintrittsgelder, sorgen dafür, dass Komponisten komponieren, Musiker Noten kaufen, Gema-Gebühren und Steuern zahlen.

Ich rate, darauf zu warten, dass die Kita-Träger demnächst Rahmenvereinbarungen abschließen. So wie es für die Schulen längst geregelt ist. Dann aber mit Augenmaß, zu realistischen und praktikablen Bedingungen, die beinhalten, dass die Erzieherinnen nicht mit zusätzlichen Verwaltungsaufgaben (vierteljährliche Abgabe einer Auflistung aller Kopien!) belastet werden. Jede zusätzliche Verwaltungsleistung reduziert die Zeit, mit der sie sich unseren Kindern zuwenden.

Grundsätzlich gilt: Singen ist kostbar, für Groß und Klein, das Singen ist beim Kind der Einstieg in die Musik, Kinder, die viel singen, entwickeln sich besser. Bei uns wird im Vergleich zu anderen Weltgegenden viel zu wenig gesungen. Das war mal anders, hier wirkt noch das "Dritte Reich" nach, in dem viel gesungen wurde, vor allem Lieder mit nationalsozialistischen Texten. Böse Menschen haben keine Lieder?

Nach 1945 mussten die Deutschen begreifen, dass das nicht stimmt. Deshalb haben viele aufgehört zu singen. Theodor W. Adorno damals: "Nirgends steht geschrieben, dass Singen not sei." Großer Irrtum. Endlich wird wieder mehr gesungen. Gerade bereitet der Landesmusikrat Hamburg eine Fachtagung zum Thema "Singen mit Kindern: Singen im Alltag und als Kunst - Singen ist gesund" vor (4./5. Februar). Hoffnungsvolle Entwicklungen sollten nicht gebremst werden. Eine Rahmenvereinbarung ist auszuhandeln, die gut ist für das Singen, vor allem für das Singen der Kinder, die auch gut ist für die Komponisten, die sich immer wieder schöne neue Lieder für uns ausdenken sollen!