Der Coup mit Walter Scheuerl leitet die Ent-Beustung der CDU ein.

Drei Punkte sprachen bisher dafür, dass der SPD-Kandidat Olaf Scholz mit großem Vorsprung zum neuen Bürgermeister Hamburgs gewählt wird. Erstens: Er ist in den Umfragen weit enteilt. Zweitens: Die CDU liegt nach Ole von Beusts Flucht aus dem Amt in Scherben. Und drittens: Der Volksentscheid-Gewinner Walter Scheuerl würde mit einer eigenen Partei eher die CDU schwächen. Offenkundig hat sich Bürgermeister Christoph Ahlhaus vorgenommen, einen Punkt nach dem anderen abzuarbeiten. Dabei ist ihm mit der Einbindung des Primarschulreform-Gegners Scheuerl in die CDU-Liste eine strategische Meisterleistung gelungen, die einen Eindruck davon vermittelt, dass dem amtierenden Rathauschef bis zur Wahl im Februar noch einiges zuzutrauen ist.

Ahlhaus führt mit diesem Schritt zusammen, was zusammengehört. Er streichelt die Seele der Union, umarmt die vielen, die sich angesichts der schwarz-grünen Primarschulpläne mit Grausen von der CDU abgewandt hatten, und schafft damit die Wiedervereinigung der Elbvororte mit ihrer Partei. Das ist - gerade noch rechtzeitig, um auch Wirkung damit zu erzielen - neben einem Bekenntnis zu Scheuerls Schulpolitik auch ein Signal, dass die Zeit der unklaren Verhältnisse im bürgerlichen Lager vorbei ist. Wo Ahlhaus draufsteht, so die klare Botschaft, ist die Vor-Beust-CDU drin. Damit folgt dem ersten Streich des Bürgermeisters zugleich der zweite, viel gravierendere.

In der Nacht zu Donnerstag, der spektakulären Geburtsstunde des Ahlhaus-Scheuerl-Paktes, hat die Ent-Beustung der CDU begonnen. Was in der Parteitagsrede zwei Tage zuvor bereits als scharfe Abgrenzung vom einstigen "Übervater Ole" begann, ist nun zum Leitmotiv für den bevorstehenden Lagerwahlkampf geworden. Hamburg, so der Gründungsmythos der neuen Bürgerlichen, ist gar nicht mehr als zwei Jahre lang von Schwarz-Grün regiert worden, sondern von einem Ole-Grünen-Bündnis. Von Beust, der liberale Großstadtpräsident, habe doch eigentlich nie die wahre CDU repräsentiert, schon gar nicht in der Schulpolitik, in der er aus eigener Überzeugung stets zur Grünen Christa Goetsch stand und Scheuerl - ausgerechnet der jetzt eingemeindete Scheuerl - sein großer Widersacher war. Kurz: Im Bündnis mit der GAL lebte die CDU in einer Zwangsjacke, die nun endlich abgestreift werden konnte.

Das ist strategisch richtig gedacht, aber auch ein riskantes Manöver, das vor den Bürgern erst noch standhalten muss. Viele Hamburger erinnern sich möglicherweise auch am Wahltag noch daran, dass der jetzt durch den Koalitionsbruch der Grünen wie entfesselt wirkende Bürgermeister vom ersten Tag an dem schwarz-grünen Bündnis als Innensenator angehörte und alle Beschlüsse mitgetragen hat. Und nicht wenigen gefiel der eben nicht in konservativen Reflexen stecken gebliebene Regierungsstil Ole von Beusts. Sie waren es, die ihm und der Hamburger CDU die über Jahrzehnte hinweg für unmöglich gehaltenen Mehrheiten gebracht haben, und es ist fraglich, ob sie sich mit dem nun eingeschlagenen Retro-Kurs anfreunden werden.

Wem in einer solchen Lage Wahlkampfauftritte von Beusts helfen würden, die der Ex-Bürgermeister vergangene Woche mit den Worten "Die CDU kann sich auf mich verlassen" angekündigt hat, weiß niemand. Sein Satz "Ich stehe zur Fahne" wirkt jedenfalls seltsam gestrig, wenn seine Partei heute gar nicht mehr zu ihm steht.