Die Politik hat es sich mit der Bundeswehr zu bequem gemacht.

Zwei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer wird es höchste Zeit, dass sich die Bundeswehr auf die Realität einlässt. In den Konflikten von heute ist militärische Überlegenheit keine Frage mehr von Masse, sondern von Ausbildung, Technologie und Organisation. Eigentlich eine Binsenweisheit - und doch hakt es dabei beim deutschen Militär.

Dringend benötigte Ausrüstung kommt erst nach Monaten, dafür aufs Gründlichste technisch geprüft, im Einsatzgebiet an. Organisationsstrukturen, die eigentlich straff gespannt sein müssten, laufen auf verschlungenen Bahnen, die vielleicht noch Ministerialbeamte verstehen, ganz sicher aber nicht die Soldaten im Einsatz.

So leitet das Einsatzführungskommando in Potsdam die Truppe in Afghanistan. Die deutschen Spezialeinheiten, die im Land unterwegs sind, unterstehen dagegen dem Kommando Spezialkräfte in Calw. Aber auch Heer, Luftwaffe und Sanitätsdienst haben ein eigenes Kommando, die einem Ministerium mit den zwei Dienstsitzen Bonn und Berlin unterstehen. Mit anderen Worten: viele Häuptlinge, die über immer weniger Indianer bestimmen wollen.

Dass die Strukturkommission dieser Organisation eine Schrumpfkur vorschlägt, ist angesichts der gewaltigen Staatsverschuldung zwingend. Dass Verteidigungsminister zu Guttenberg sich getraut hat, eine solche unabhängige Kommission einzusetzen, ist bemerkenswert. Denn viele Freunde macht er sich mit seiner angestrebten Modernisierung nicht. Stattdessen stoßen seine Mannen überall auf dieselben Abwehrreflexe. Viele Kommunen und Landespolitiker haben es sich in den vergangenen Jahren bequem eingerichtet mit dem Arbeitgeber Bundeswehr. Eine Kaserne in der Nachbarschaft galt lange als sichere Bank für gesunde Gemeindefinanzen, von ihr profitierten Handwerker, Bäcker und Diskothekenbetreiber. Nun fürchten die Gemeinden um ihre Pfründe. Die gleichen Reflexe sind jetzt in Bonn zu beobachten. Die Bundesstadt fürchtet um Stellenverluste im Verteidigungsministerium. Sorge haben die Stadtoberen aber auch, dass auch andere Ministerien sich die Frage nach den Kosten zweier Standorte stellen.

Doch diese Geisteshaltung ist vor allem eins: Kirchturmpolitik. Die zeichnet sich bekanntlich durch eine begrenzte Sichtweite aus. Für eine Bundeswehr, die mittlerweile am Hindukusch oder am Horn von Afrika kämpft, reicht dieser Blick ganz sicher nicht.