Seehofers Einwanderungspolitik nach Kulturkreisen greift zu kurz.

Deutschland als Exportnation ist zweifellos Nutznießer der Globalisierung. Und als solcher tritt es wie alle anderen westlichen Industrienationen für den freien Fluss von Waren, Dienstleistungen und auch Menschen ein. Wenn wir meinen, dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland zu brauchen, werben wir sie sogar aktiv an. Vor 49 Jahren wurde ein entsprechendes Abkommen mit der Türkei geschlossen. Ohne alle Folgen zu bedenken. Denn es kamen nicht nur die zeitweise gefragten Arbeiter, sie blieben auch und holten - auch das völlig gesetzeskonform - ihre Familien nach.

Dass es viele von ihnen bis heute nicht geschafft haben, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, sondern sich im Gegenteil in der dritten Generation der Trend zur Parallelgesellschaft noch verstärkt, liegt gewiss daran, dass die deutsche Politik das Problem zu spät erkannt und nur sehr langsam reagiert hat. Es liegt auch daran, dass die meisten von ihnen aus einem sozialen Umfeld stammen, das sich von der Lebensweise im liberalen Westen grundlegend unterscheidet. Inwieweit der Islam Ursache dafür ist, wäre aber noch zu klären. Rückständige Regionen mit archaischen Gebräuchen gibt es etwa auch im katholischen Lateinamerika und Intellektuelle auch im Orient.

Die Debatte auf Kulturkreise oder Religionen zu verkürzen, wie es Seehofer und andere gerade versuchen, mag eingängig und populär sein sowie in Wahlkämpfen verfangen. Aber es löst weder unser derzeitiges Integrationsproblem, noch ist ein Einwanderungsstopp für Menschen aus bestimmten Regionen, Kulturkreisen oder für Angehörige bestimmter Religionen rechtlich und sachlich vorstellbar. Zumal manche Wirtschaftskapitäne und Demografie-Experten bereits vom Fachkräftezuzug im ganz großen Stil aus Indien oder Indonesien - dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde! - träumen.

Statt Religionen und Kulturen gegeneinander auszuspielen, gälte es vielmehr neben den wirtschaftlichen Interessen auch die sozialen Komponenten von Wanderungsbewegungen besser zu beachten. Horst Seehofers Partei nennt sich ja bekanntlich christlich und sozial. Christliche Nächstenliebe und soziale Kompetenz scheinen beim Vorsitzenden und den Seinen aber noch ausbaufähig zu sein. Was übrigens auch im Umgang mit der Schwesterpartei CDU und dem Koalitionspartner FDP gilt, die sich beide erkennbar sachlicher um die Integrationsfrage mühen.