Den Koran zu verbrennen ist kein taugliches Mittel der Kritik.

Die USA gelten als Hort religiöser Toleranz und Vielfalt. Dies hat nicht zuletzt historische Ursachen - die Pilgerväter, die 1620 auf dem Schiff "Mayflower" die Neue Welt erreichten, waren, wie auch viele spätere Siedler, vor religiöser Verfolgung geflohen. Die öffentliche Verbrennung eines Korans, wie von einer christlichen Gemeinschaft in Florida angekündigt, verstieße schon massiv gegen den moralischen Kodex, auf dem die Vereinigten Staaten ruhen.

Bücherverbrennungen - berüchtigt vor allem aus der Zeit der Inquisition und der NS-Tyrannei - sind stets Akte dumpfer Intoleranz, denen bald auch die Verbrennung von Menschen folgen kann. Die Anhänger der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam werden als Völker der Bücher bezeichnet. Anders aber noch als Bibel oder Tora gelten die 114 Suren des Korans den Gläubigen als unmittelbares Wort Gottes. Es wurde der Überlieferung nach dem Propheten Mohammed im Jahre 610 mittels des Engels Gabriel offenbart. Das direkte Gotteswort ist heilig und unveränderlich - was im Übrigen eine Reform des Korans, Hauptquelle der Scharia, des islamischen Gesetzes, im Sinne einer Anpassung an die moderne Welt verhindert.

Eine Verbrennung dieses uralten Buches, in dem die Kultur von mehr als einer Milliarde Menschen destilliert ist, muss von jedem denkenden Menschen auf der Erde unabhängig von seinem Verhältnis zu Religionen als barbarischer Akt empfunden werden.

Die zu erwartende Wut der muslimischen Welt wäre - anders als im Fall der misslungenen dänischen Mohammed-Karikaturen, die ja nicht als Kampfansage an den Islam, sondern als Symbol westlicher Meinungsfreiheit gedacht waren - durchaus nachvollziehbar. Allerdings werden radikale Islamisten die Gelegenheit nutzen, Öl in dieses Feuer der Intoleranz zu gießen, indem sie Menschen töten.

Einen Koran zu verbrennen ist überdies kein taugliches Mittel der Kritik am militanten Islam. Im Gegenteil: Der verantwortungslose Akt, vom selben Hass befeuert wie die Terrorakte vom 11. September 2001, würde demonstrieren, dass der Islam kein Monopol darauf hat, durch eine Handvoll radikaler Fundamentalisten einen politischen Großbrand auszulösen. Das Fähnlein christlicher Taliban in Florida könnte, falls man ihnen nicht rechtzeitig das Handwerk legt, mit einem einzigen Streichholz die Bemühungen des mächtigsten Mannes der Erde zunichte machen, nach den amerikanischen Kriegen im Irak und in Afghanistan sowie den Demütigungen von Muslimen in Guantánamo und Abu Ghraib einen respektvollen Dialog mit dem Islam zu führen.