Obama hat nach Ansicht des jüdischen Schriftstellers ein Riesenproblem. Seit die Wirtschaft kriselt, wollen die Amerikaner nichts mehr von der Allmacht des Staates hören

Die Vereinigten Staaten zelebrieren die Übergabe der militärischen Verantwortung an die Iraker. Die letzten Kampftruppen der US-Army ziehen ab. Damit erfüllt Barack Obama zumindest teilweise eines seiner Wahlversprechen. Der amerikanische Präsident hat eine Bestätigung seiner Glaubwürdigkeit dringend notwendig. Denn Obama hat seine politische Magie im Weißen Haus bestürzend rasch eingebüßt.

Vor zwei Jahren verzauberte der jugendliche Senator aus Illinois die Amerikaner stärker als einst Präsident John F. Kennedy. "Yes we can!", impfte er der verunsicherten Bevölkerung ein. Viele Amerikaner hatten während der bleiernen Jahre von Präsident George W. Bush (2000-2008) ihre sprichwörtliche Zuversicht verloren. Den Katastrophen-Anschlägen vom 11. September 2001 folgten verlustreiche Kriege in Afghanistan und Irak. Schließlich stürzte das Platzen der Immobilienblase Millionen Amerikaner in Not, sie verloren ihre Häuser und Ersparnisse.

In dieser Krisensituation verkörperte das "Yes we can!" einen Neuanfang. Der Sohn eines Afrikaners und einer "lilienweißen" Mutter drückte den Willen nach einem neuen Amerika ohne Rassenschranken, ohne Armut, fehlender medizinischer Versicherung und ungewinnbarer Kriege aus. Obamas "Change!" - Wechsel traf die Stimmung dermaßen, dass ihn wenige Monate nach seiner Wahl 70 Prozent der Bevölkerung unterstützten.

Heute lehnt eine satte Mehrheit seine Politik ab. Wie konnte er den Riesenvertrauensvorschuss verspielen? Die Antwort ist simpel.

Obama versprach allen alles. Nun kann er die Verheißungen nicht realisieren. Denn er mixte einen Cocktail aus opportunistischen Irrtümern und handwerklichen Fehlern. Um als glaubhafter Patriot zu gelten, betonte er die vermeintliche Notwendigkeit, den Krieg in Afghanistan fortzusetzen. Das führte zur Truppenerhöhung, zu mehr Kämpfen, zu immer mehr Opfern, ohne Aussicht, den Waffengang siegreich zu beenden. Obama ist stolz, die versprochene Gesundheitsreform durchgesetzt zu haben. Doch die Mehrheit lehnt sie ab. Schon jetzt wird mit Kosten von mehr als einer Billion, also 1000 Milliarden Dollar, gerechnet. Dies wird kritisch für die US-Wirtschaft, die sich, anders als die Deutschlands, nicht von der Krise erholen konnte. Am ärgsten trifft es die Beschäftigten. Die Arbeitslosenrate kletterte auf knapp zehn Prozent. Millionen Amerikaner führte das in die Armut. Sie müssen ihren Konsum drastisch einschränken. Damit fällt der wesentliche Antrieb der US-Volkswirtschaft weg. Das 700-Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramm blieb weitgehend wirkungslos.

Die schlechte Wirtschaftslage und seine teilweise intellektuelle Arroganz sind Wasser auf die Mühlen der Gegner. Die konservative Tea-Party-Bewegung, die an den Gründungsmythos einer begrenzten Rolle des Staates appelliert, erhält ungeahnten Zulauf. Die Amerikaner wollen, dass die Regierung sich weitgehend aus ihren Angelegenheiten heraushält und die Steuern sinken. Obama aber setzt auf die Allmacht des Staates. Diese Diskrepanz versuchen Ultrarechte zu nutzen, indem sie ihm vorwerfen, ein verkappter Moslem zu sein. Knapp jeder fünfte Amerikaner glaubt den Verleumdungen.

Obama gelingt es nicht, die Wirtschaft zum Blühen zu bringen. Die Zwischenwahlen zum Kongress im November hat er bereits verloren gegeben.

Um die Chancen seiner Wiederwahl in zwei Jahren zu wahren, muss er von pauschalen, aber unerfüllbaren Parolen Abschied nehmen. Entscheidend wird sein, Millionen Amerikaner wieder in Arbeit zu setzen - sonst wird Obamas Präsidentschaft eine Episode bleiben.

Rafael Seligmann, 62, wurde in Tel Aviv geboren und lebt als Schriftsteller und Autor heute in Berlin.