Wer sich an das deutsche Sommermärchen des Jahres 2006 erinnert, hat in der Regel ein Detail verdrängt, das damals im WM-Trubel überhört wurde, obwohl noch keine Vuvuzela-Tröten die Gehörgänge verstopften. Auf den Tag genau vor vier Jahren verkündete Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Chefin einer großen Koalition, einen "Durchbruch" in der Gesundheitspolitik. SPD-Chef Kurt Beck assistierte mit der Formel einer "Reform, die deutlich über den Tag und das Jahr hinausweist". Unter dem Strich gab es aber nur ein Ergebnis: die Erhöhung der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung um 0,5 Prozentpunkte.

Aus dem Fernsehen sind wir Wiederholungen gewohnt. Aber dass die schwarz-gelbe Regierung dieses peinliche Szenario pünktlich zur WM 2010 wiederholt, ist an Einfalt und Einfallslosigkeit nicht mehr zu toppen. Zwar fehlt aktuell noch der Händedruck zur Vereinbarung, doch deutet alles darauf hin: Die Beiträge werden zum Jahreswechsel steigen, um 0,6 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent. Denn einen Reflex beherrschen Politiker aller Parteien und über Gesinnungsdifferenzen hinweg: Wenn es Probleme gibt, wird der Bürger abkassiert. Bürger sind in dem Falle die gesetzlich Versicherten. Wer privat versichert ist, wie auch die Beamten, bleibt verschont, zumindest von dieser Erhöhung. Bevor jetzt die zuletzt Genannten aufschreien, weil man ihnen auch jede Menge Lasten auferlegt hat, ist ihnen wenigstens noch die Freiheit geblieben, sich eine Privatversicherung auszusuchen.

Echte Wahlfreiheit ist für gesetzlich Versicherte ein Fremdwort. Und seit der Staat den gesetzlichen Kassen die Beitragshöhe vorschreibt, ist der letzte Rest von Wettbewerb dahin. Der wird zwar auch nicht aus der Welt schaffen, dass immer weniger (junge) Beitragszahler immer mehr (ältere) Mitversicherte quersubventionieren müssen. Aber dass jeder Versuch im Ansatz scheitert, die Schwachstellen des Gesundheitssystems zu beseitigen, ist demütigend für jeden, den es aus Bürgerstolz noch an die Wahlurnen zieht.

Dabei bietet das Gesundheitssystem haufenweise Korrekturmöglichkeiten. Wo 170 Milliarden Euro hin- und hergeschoben werden, ist nicht nur theoretisch Spielraum für besseres Wirtschaften. Wo ist das Korrektiv, das verhindert, dass jeder Deutsche im Schnitt 18-mal im Jahr zum Arzt geht? Warum schreibt der Staat die Beitragshöhe überhaupt vor? Wohin die Reise geht, lassen die Vorgespräche in Hinterzimmern ahnen, in denen Politiker schon mal ausloten, wo sie demnächst bei den Ärzten sparen können - ohne dass die gleich wieder zum Streik aufrufen.