Karl Lagerfeld will sowieso ewig weitermachen, und mit Jil Sander kehrt der andere Hamburger Weltstar auf die Modebühne zurück

Bei Chanel, hat Karl Lagerfeld gesagt, werde man noch Kleider brauchen, wenn er 89 sei. "Die Welt kann also noch lange mit mir rechnen!" Das stimmt in jedem Fall, egal ob Lagerfeld dabei sein wahres oder sein vorgegebenes Alter im Auge hat. Tatsächlich ist der Mann, der sich prinzipiell fünf Jahre jünger macht, ja inzwischen 78. Und Jil Sander, die nach langer Abstinenz in ihr altes Unternehmen zurückkehrt, ist 68.

Ein Rentnerdasein kennt diese Branche also offenbar nicht. Leute wie Joop oder Armani haben die Altersschallmauer ja auch schon durchflogen und machen munter weiter. So ist das eben bei den Kreativen, die dadurch ja auch noch - was für ein schöner Nebeneffekt - ihre Lebenserwartung enorm erhöhen. Man denke nur an die vielen Dirigenten, die steinalt geworden sind.

Apropos Musik: "Grob geschätzt" hat Karl Lagerfeld nach eigenen Angaben 150 MP3-Player. Dass der Mann grob geschätzt auch 200 Paar von diesen fingerlosen Lederhandschuhen hat, die er seit seiner Diät ständig trägt, kann man, mit etwas Anstrengung, noch verstehen. Aber 150 MP3-Player? Was macht er damit? Sind auf dem einen nur die Stones und auf dem nächsten nur Mozarts Klavierkonzerte? Man weiß es nicht.

Überhaupt sind von König Karl, wie ihn die Medien gerne nennen, ja viele erstaunliche Dinge bekannt. Zum Beispiel, dass er täglich seine Bettwäsche wechselt. Richtiger gesagt, wechseln lässt. Denn etwas Restpersonal hat Lagerfeld ja trotz propagierter neuer Bescheidenheit behalten. Wie war das noch? "Zwingend bleiben Zimmermädchen, Chauffeur und Koch rund um die Uhr."

Während man den Eindruck hat, dass Lagerfeld mit zunehmendem Alter immer lieber in Talkshows sitzt, um seine Lebensweisheiten zum Besten zu geben - "Ich bin nicht Mutter Teresa!", "Im Grunde sind Freunde so gefährlich wie Feinde, bei Feinden passt man auf, bei Freunden nicht so!" -, hat man bei Jil Sander schon Mühe, einigermaßen aktuelle Fotos aufzutreiben. Die neuesten sind drei Jahre alt und stammen aus Tokio, wo die kühle Hamburgerin zwischenzeitlich das Unternehmen Uniqlo, eine Art japanisches H&M, in Schwung brachte. (Wenn eine neue Kollektion herauskam, mäanderten die Warteschlangen um die Häuserblocks.)

Jetzt ist sie also wieder da, die öffentlichkeitsscheue Ikone der internationalen Modeszene - die "Queen of Lean", wie Sander wegen ihres schönen strengen Stils bewundernd-respektvoll genannt wird. Es fühle sich so an, als sei sie nach einer kurzen Reise wieder nach Hause gekommen, hat sie gesagt.

"Die Marke Jil Sander ist meinem Wesen tief verbunden und mein Traum von raffinierter, kompromisslos moderner Mode so frisch wie am ersten Tag." Das kam noch irgendwie aus dem Off, aber spätestens im Juni wird Jil Sander öffentlich auftreten müssen, und zwar in Mailand, bei der Präsentation ihrer ersten Männerkollektion für Frühjahr und Sommer 2013.

Sander und Lagerfeld sind Hamburger Weltstars, Lagerfeld ist sogar schon als Jahrhundertgenie bezeichnet worden. Eine Primadonna ist der Mann allerdings auch. Und Primadonnen, das weiß man ja, lieben die große Szene und kleine Gemeinheiten. Deshalb hat sich auch keiner gewundert, als Lagerfeld vor einem knappen Jahr im Interview mit dem "Berliner Tagesspiegel" gemeint hat, die Sander sei ja wohl im Ruhestand. "Ein entsetzliches Wort! Klingt wie Vorzimmer vom Friedhof." Und weil er gerade dabei war, ist er noch ein bisschen über Wolfgang Joop hergezogen: "Ach, das Wunderkind", hat er gesagt, "sein Drama ist, dass er nicht ich ist. International kennt ihn doch keiner. Er kann alles gut imitieren, aber er hat keinen eigenen Stil." Die feine englische Art war das nicht.

Wolfgang Joop hat sich bei der überraschenden Nachricht von der Rückkehr Sanders hingegen außerordentlich kollegial gezeigt. Er wünsche ihr viel Glück für die Rückkehr zur alten Marke, hat der Potsdamer gesagt. Und sichtlich amüsiert hinzugefügt: "Anscheinend sind die Alten doch die Jüngsten!"