Das Investment der Stadt in die Reederei Hapag-Lloyd ist nicht nur erlaubt, es ist sogar dringend geboten

Überzeugte Wirtschaftsliberale können die Gesten der Empörung schon einmal vor dem Spiegel üben - sie werden in Kürze wieder gebraucht. "Was Hamburg da macht, ist ein Sündenfall", werden sie gestrengen Blicks in die Kameras aufsagen, Leitartikler werden Zeilen wie "Haushaltspolitisches Harakiri" in ihre Tastatur hämmern.

So war es schon, als die Stadt Hamburg 2003 Anteile von Beiersdorf erwarb oder bei der Norddeutschen Affinerie einstieg. Und so wird es auch sein, wenn offiziell verkündet wird, was die Spatzen derzeit von den Dächern pfeifen: Die Stadt Hamburg wird über das Konsortium Albert Ballin weitere Anteile an der Reederei Hapag-Lloyd erwerben.

Das mag zwar gegen die reine Lehre der Wirtschaftstheoretiker sein - und trotzdem ist es gut und richtig. Bezeichnend an der nahenden Lösung ist auch, dass die SPD-Alleinregierung strategisch den Sonderweg weitergeht, den der damalige CDU-Senat unter Bürgermeister Ole von Beust und seinem Finanzsenator Wolfgang Peiner eingeschlagen hatte. Man kann es auch auf die Formel bringen: Scholz macht den Peiner. Der CDU-Politiker Wolfgang Peiner hatte 2003 verhindert, dass der heutige Hamburger DAX-Konzern Beiersdorf vom US-Konkurrenten Procter &Gamble geschluckt wurde. Als die Allianz AG ihre Beteiligung am Eimsbütteler Kosmetikkonzern verkaufen wollte, ließ Peiner über die städtische HGV zehn Prozent der Beiersdorf-Aktien kaufen, warf so Procter &Gamble aus dem Rennen und bereitete einer Hamburger Lösung den Weg.

Nicht einmal vier Jahre später konnte die Stadt das Aktienpaket mit Gewinn vergolden.

Beiersdorf war erst der Anfang - mit der Strategie, im Notfall selbst bei übernahmegefährdeten Unternehmen einzusteigen, trat die Stadt gleich mehrfach als Gestalter oder gar Retter auf. So war es im Anteilsstreit bei der Airbus-Mutter EADS, so war es beim Kupferkonzern Aurubis (vormals Affi) oder dem Schiffs-TÜV Germanischer Lloyd. Auch das Konsortium Albert Ballin diente einem ähnlichen Zweck - es vereitelte, dass der Staatskonzern Temasek aus Singapur sich 2008 Hapag-Lloyd einverleibte. In seinem Buch "Handeln für Hamburg" plädiert der Politiker Wolfgang Peiner für einen aktiven Staat, der "Verantwortung übernimmt für die Sicherung von Entscheidungszentren und Beschäftigung".

Die Erfolge haben ihm recht gegeben und dazu geführt, dass CDU wie SPD städtische Investments begrüßen. Auch wenn Hamburg damit bundesweit allein dasteht, die Bilanz dieser Strategie fällt eindeutig positiv aus.

Das dürfte langfristig auch für Hapag-Lloyd gelten. Hier müsste die Gemengelage eine rasche Einigung ermöglichen: Sie liegt im strategischen Interesse Kühnes, im finanziellen des Reisekonzerns TUI und im politischen Interesse der Stadt: Hapag-Lloyd ist nun mal das Herz der maritimen Wirtschaft in Hamburg.

Zwar soll es in der Hauptstadt noch Politiker geben, die den Beitrag rheinland-pfälzischer Winzer fürs deutsche Bruttoinlandsprodukt höher einschätzen als den hanseatischer Reeder, Experten aber halten die maritime Wirtschaft für ein Scharnier zur Industrie. Der Exportvizeweltmeister benötigt eine starke Handelsflotte und leistungsfähige Häfen, die maritime Branche ist eng mit den Wachstumszentren der Volkswirtschaft verzahnt.

Gerade deshalb wäre es eine gute Nachricht, wenn bei Hapag-Lloyd endlich klare Eigentumsverhältnisse herrschen und sich das Management allein auf sein Geschäft konzentrieren kann. Denn die maritime Wirtschaft kriselt; in den vergangenen Monaten hagelte es Negativmeldungen. Die Schiffsfinanzierer HSH und Schiffsbank beispielsweise steuern notgedrungen einen Schrumpfungskurs, die Werften befinden sich im Niedergang, und gerade die kleinen Charterreedereien darben. Überkapazitäten und Preisverfall treffen eine Branche, die unter der Abkühlung der Weltwirtschaft besonders stark leidet.

Eine Vollzugsmeldung in Sachen Hapag-Lloyd dürfte so im Rathaus nur gedämpfte Freude auslösen. An möglicher Häme liegt das nicht. Die Kritik an seinem offensiven Handeln mag der Senat ignorieren können. Die Krise aber, die dieses Handeln erst nötig macht, kann er nicht ignorieren.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt