Echte Metropolen setzen auf U- oder Stadtbahnen. Hamburg kündigt einen Widerspruch in sich an - ein Busbeschleunigungsprogramm

Manchmal würde man es sich wirklich wünschen, dass die Senatoren - und sei es nur für einem Tag - auf ihre Dienstwagen verzichten müssten und genötigt würden, auf den Bus umzusteigen. Runter von den Limousinenpolstern, rein in einen der überfüllten Linienbusse, die allüberall durch die Hansestadt kriechen. Möglicherweise würde dann das, was als zentrale Vision des Senats immer wieder proklamiert wird, rasch verschwinden: das Busbeschleunigungsprogramm.

Allein der Name gleicht schon einer "alphabetischen Prozession", an der Mark Twain seine Freude gehabt hätte. Es klingt dynamisch und vielversprechend und ist doch vor allem ellenlanges Wortklimbim. Übrigens nicht der einzige in der Verkehrssprache HVV. So fahren in Hamburg tatsächlich auch "Schnellbusse" - Rhetoriker nennen Formulierungen wie diese mit einem innewohnenden Widerspruch Oxymoron. Denn Schnelligkeit und Bus passen so gut zusammen wie Milch und die Farbe Schwarz oder FDP und Umfragenerfolge. Busse sind aufreizend langsam, die Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht nicht einmal 20 Stundenkilometer. Selbst solche, die sich "Schnellbus" schimpfen, gleichen eher einer Bummelbahn. Wer mit dem "Schnellbus" von Blankenese zum Jungfernstieg tuckert, benötigt laut Fahrplan 37 Minuten, die S-Bahn schafft die Strecke in zwei Dritteln der Zeit. Da versteht es sich von selbst, dass der HVV für sein Geschwindigkeitswunder einen Zuschlag verlangt. Der Schnellbus kostet 4,55 Euro, die 13 Minuten schnellere S-Bahn 2,85 Euro. Da freut man sich doch gleich noch mehr auf das versprochene Busbeschleunigungsprogramm.

Wie effektiv derlei Konzepte sind, darf der Senat durchaus bei den Kollegen in Berlin erfragen - wo verkehrstechnisch schon lange nichts rundläuft. Die Berliner Verkehrsbetriebe und die Behörde haben in den vergangenen Jahren für ihr Beschleunigungsprogramm 55 Millionen in die Hand genommen, um etwa grüne Wellen zu schalten. Die Erfolge sind gigantisch: Die Straßenbahnen trödeln noch langsamer als früher durch Berlin, die Busse haben sich um atemberaubende 0,08 Stundenkilometer beschleunigt. Da kann einem fast schwindelig werden, pro Minute schafft ein Bus also gut 1,3 Meter mehr. Der Bund der Steuerzahler spricht von einem "Musterbeispiel der Verschwendung von Steuergeldern".

Mal sehen, was in Hamburg herauskommt - immerhin ist das Programm mit 259 Millionen Euro ungleich ambitionierter. Bis 2020 soll gleich das modernste Bussystem Europas in Hamburg entstehen. So gut ambitionierte Ziele sind - vieles spricht dafür, dass auch moderne Bussysteme ein Oxymoron sind, weil Busse einfach immer nur die drittbeste Lösung sind. Die Grenzen des Verkehrsträgers sind offensichtlich - Busse sind unbequem, oft unpünktlich, weil sie im Stadtverkehr stecken bleiben und bislang zudem Dreckschleudern: Bei den Stickoxiden fahren sogar Privatwagen und das Flugzeug dem Linienbus davon.

In Sachen Pünktlichkeit sind die Fahrer allzu oft Opfer der Hamburger Spezialität Ich-parke-hier-doch-nur-einen-winzigen-Moment-in-zweiter-Reihe - wer hat noch nie drei Busse, etwa der Linie 6, als Polonaise hintereinander herfahren sehen?

Sind das wirklich Lösungen für eine Weltstadt? Oldenburg und Guatemala Stadt setzen auf den Bus, wirkliche Metropolen auf U-, S- oder Stadtbahnen. Auch wenn sich die Hamburger rühmen, mit der 5 die am meisten frequentierte Buslinie in Europa zu haben, sollten sie sich eher die Frage stellen: Warum nutzt Hamburg kein effektiveres Verkehrsmittel für dieses Strecke?

Immerhin war es auch die Linie 5, auf der Hamburg zuletzt Vorreiter sein wollte. 2004 führte die Hochbahn mit großem Tamtam den "Bus der Superlative" ein, der "riesig ankam" - die XXL- bzw. Doppelgelenkbusse. Noch 2010 hielt die Hochbahn die 25-Meter-Ungetüme für eine Wunderwaffe, die sowohl den Treibstoffausstoß pro Person als auch die Betriebskosten senken sollte. Eine Ersparnis von 600 000 Euro war das Ziel. Kürzlich kündigte die Hochbahn den Ausstieg aus den XXL-Bussen an - die Riesenbusse waren häufiger defekt und haben eine niedrigere Lebensdauer. Bis 2015/2016 werden sie ausgemustert.

Bleibt zu hoffen, dass sie das Busbeschleunigungsprogramm gleich mitnehmen.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt