Arm und Reich müssen gemeinsam die Sparlast tragen.

Politik, weiß CDU-Fraktionschef Volker Kauder, beginne beim Betrachten der Wirklichkeit. So gesehen müssen Angela Merkel und Guido Westerwelle blind gewesen sein, als sie dem Bundesbürger ihr Sparpaket, das größte in der Geschichte der Bundesrepublik, als sozial ausgewogen präsentierten. Aber für so dumm lassen sich nicht einmal die eigenen Parteifreunde verkaufen. Denn ob etwa die Transaktions- oder Atomsteuer je Geld in die Staatskasse spülen werden, ist mehr als ungewiss. Fürs Erste müssten noch die EU-Partner gewonnen, fürs Zweite die Laufzeit der Atommeiler verlängert werden.

Man muss nicht auf der Gehaltsliste des DGB stehen oder der christlichen Soziallehre anhängen, wie manche Herz-Jesu-Marxisten vom Arbeitnehmerflügel der Union, um dem Merkel-Westerwelle-Paket eine soziale Schieflage zu bescheinigen - wenn schon der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, geradezu darum bettelt, dass die Besserverdienenden sich mit höheren Steuern an der Sanierung der Staatsfinanzen beteiligen sollten. Dessen Organisation versteht sich nun wirklich nicht als Förderverein für Steuererhöhungen. Aber wenn die Not groß ist, so Lauk, kann sich keiner verweigern - weder Arm noch Reich. Bundestagspräsident Norbert Lammert ist auch kein vom Sozialneid zerfressener Revolutionär. Auch er findet, dass Spitzenverdiener ihren Beitrag leisten sollten.

Wohlgemerkt, es geht nicht um die grundsätzliche Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 Prozent. Der setzt bei gut 50 000 Euro Jahresgehalt ein, was ein Facharbeiter heutzutage schnell erreicht. Es geht auch nicht um Einkünfte von 100 000 Euro im Jahr. Diese Leute zahlen schon heute die meisten Steuern. Es geht um Spitzeneinkünfte von 250 000 Euro und mehr.

Wir sind eine Leistungsgesellschaft, Herr Westerwelle, aber wir können es uns nicht leisten, den Hartzern den Heizkostenzuschuss zu streichen oder das Elterngeld, wenn nicht auch die Besserverdienenden ihren Obolus entrichten.

Das lähmt weder Wirtschaft noch Konsumfreudigkeit. Die Hartzer überlegen es sich sehr wohl, wie sie sich ihre warme Mahlzeit pro Tag gestalten. Wer aber 250 000 Euro und mehr verdient, wird wegen einer Sondersteuer von drei oder fünf Prozent weder auf eine Mahlzeit noch auf den Kauf seines Boss- oder Prada-Anzuges verzichten.

Angela Merkel hat in ihrem Amtseid geschworen, Gerechtigkeit gegenüber jedermann zu üben - aber nicht, zulasten von Hartz-Beziehern und zum Wohl des FDP-Vorsitzenden angesichts sinkender Umfragewerte Barmherzigkeit zu üben. Nur weil er mal als Steuersenker angetreten ist.