David McAllister ist seit zwei Jahren Vorsitzender der Niedersachsen-CDU, Olaf Lies führt seit einer Woche die Niedersachsen-SPD. Und seit Donnerstag freuen sich die beiden Männer um die Wette - aus dem gleichen Grund. Weil Ministerpräsident Christian Wulff nach Berlin geht und absehbar Bundespräsident werden dürfte, geht für Nachfolger David McAllister ein Lebenstraum deutlich früher in Erfüllung als erwartet. Er wird mit erst 39 Jahren Ministerpräsident und strahlt öffentlich. Der 43-jährige Olaf Lies freut sich genauso, aber ganz heimlich. Der Abgang von Wulff nämlich, so die Abwägung der SPD, verbessert deutlich auch deren Chancen, bei der Landtagswahl Anfang 2013 die CDU als Regierungspartei abzulösen.

Zwar werden bei der SPD am Ende die Mitglieder in Urabstimmung entscheiden müssen, ob Lies dann als Herausforderer antreten darf. Aber spätestens seit seiner Wahl mit 91 Prozent der Delegiertenstimmen sind seine Aussichten deutlich gestiegen. Was sich da abzeichnet für das Land Niedersachsen, ist ein spannendes Duell zweier Aufsteiger, die sich in vielem ähnlich sind. Nicht nur in ihrem Aussehen.

Beide können auf Menschen zugehen und ihnen schnell das Du anbieten, sie können begeistern, aber auch polarisieren. In seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag hat Lies formuliert, die Süddeutschen wollten aus Niedersachsen Deutschlands Atomklo machen: "Und der Wulff hält ihnen auch noch den Deckel auf." McAllister würde sich zu Strompolitik so nicht äußern, aber solche zugespitzten bildhaften Formulierungen sind auch ganz nach seinem Geschmack. Austeilen ist seine Stärke, als Zwischenrufer im Landtag hat er sich fröhlich einen schlechten Ruf erarbeitet.

Der politische Stil in Niedersachsen wird sich also ändern. Der Ministerpräsident Wulff gab sich betont präsidial, was weder zum Alter noch zum Auftreten der Kontrahenten McAllister und Lies passt. Attacke ist angesagt - der neue Ministerpräsident muss sich selbst und in der eigenen Fraktion und Partei beweisen, der ambitionierte neue SPD-Landesvorsitzende kann nur auf die Nominierung hoffen, wenn er bei diesem Wettkampf ersichtlich auf gleiche Augenhöhe kommt.

Und sollte es dann im Landtag zu gegenseitigen Blessuren kommen, werden beide danach umgehend ins Auto steigen und jeweils über zwei Stunden nach Hause fahren, um die Verwundung zu verwinden. Fast wortgleich preisen die Aufsteiger McAllister und Lies Familie und Provinz als Rückzugsort schlechthin mit heilsamer Wirkung. Die langen Autofahrten sind der Tatsache geschuldet, dass McAllister auch als Ministerpräsident auf gar keinen Fall auf den Heimatort Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven verzichten und auch Olaf Lies auf keinen Fall weg will aus der Gemeinde Sande in Friesland. Im Schatten der Deiche warten in beiden Fällen die Ehefrauen mit zwei kleinen Mädchen auf die Väter.

Und beide gleichen sich auch an anderer Stelle: Lies wie McAllister haben nicht alle kommunalpolitischen Mandate aufgegeben. Kommunalpolitik nennt McAllister eine "Herzensangelegenheit" und Lies "kann nicht ohne". Beide nennen übrigens, nach Vorbildern gefragt, Förderer auf kommunaler Ebene, die ihnen den Karriereweg geebnet haben. Und was dem einen (McAllister) der Schützenverein, ist dem anderen (Lies) der Trecker aus dem Jahr 1953, an dem es immer etwas zu schrauben gibt und für den gegenwärtig die TÜV-Prüfung fällig wird.

So ausgeprägt die Gemeinsamkeiten, so deutlich sind auch die Unterschiede. McAllister wurde schon mit 17 Jahren CDU-Mitglied, war schon als Schüler politisch aktiv und immer in dem konservativen Flügel seiner Partei zu finden. Geprägt auch durch Kindheitsjahre in Berlin, Mauer und DDR vor Augen. Lies dagegen ist über die Arbeit in Gewerkschaft und Betriebsrat erst mit 35 Jahren zur SPD gestoßen. Er bezeichnet sich selbst als links, bezieht das dann aber weniger auf den Kampf um die politische Mitte als darauf, "sich stärker an den Nöten und Sorgen der Menschen zu orientieren".

Das politische Klima in Niedersachsen wird in den nächsten Jahren auch davon abhängen, ob die Aufsteiger trennen können zwischen Profilierung in der Sache und Respekt vor dem Kontrahenten. So schlecht stehen die Chancen dafür nicht: Beiden ist anzumerken, dass ihnen Politik richtig Spaß macht.