1. Griechenland will Milliarden von den EU-Staaten, um die Schuldenkrise zu überwinden. Würde damit Ruhe in der Eurozone einkehren?

Thomas Straubhaar: Wer das glaubt, der irrt. Das Ende des griechischen Dramas ist erst der Anfang einer europäischen Tragödie. Die fließenden Notgelder sind bestenfalls ein Erste-Hilfe-Paket. Denn der griechische Finanzbedarf ist ein Fass ohne Boden. Kein Wunder, bei einer staatlichen Gesamtverschuldung von rund 300 Milliarden Euro und einem zuletzt auf 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegenen Haushaltsdefizits (eigentlich dürften es maximal drei Prozent sein).

2. Wo lauert die größte Gefahr?

Thomas Straubhaar: Die europäische Tragödie nähert sich einem gefährlichen Höhepunkt, weil nicht nur die Wirtschaft- und Währungsunion und der Euro auf der Kippe stehen. Die eigentliche Gefahr rührt daher, dass erstmals in der Nachkriegszeit in Deutschland eine antieuropäische Richtung politischen Zulauf erhält.

3. Die Deutschen fühlen sich belogen - mit Recht?

Thomas Straubhaar: Die Deutschen haben die Rolle als Zahlmeister Europas satt. Das ist mehr als verständlich. "Genug ist genug, es reicht", so lässt sich das Urteil einer von linken und rechten Kräften, armen und wohlhabenden Schichten gleichermaßen gebildeten Allianz gegenüber Europa zusammenfassen. Und sie haben recht. Nicht nur die Griechen haben getrickst. Auch von den Vätern des Euro ist man im Stich gelassen worden. Die hatten versprochen, dass der Euro so stark wie die D-Mark werden würde, dank Stabilitätspakt. Durch die Hilfe für Griechenland ist er zu Grabe getragen worden.

4. Wie würden andere Euro-Schuldenstaaten reagieren?

Thomas Straubhaar: Andere Euroländer erhalten einen Freibrief fürs Schuldenmachen. Nachdem man Griechenland gerettet hat, wird man Portugal, Italien, Irland oder Spanien die Hilfe nicht verweigern können. Das ist für Spekulanten eine Einladung für eine Attacke auf weitere Euro-Länder.

5. Hilft ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro?

Thomas Straubhaar: Hardliner fordern das oder ein Ende deutscher Hilfszahlungen. Andere wollen wegen der Finanzhilfen vor das Bundesverfassungsgericht. Dies sind nur scheinbar Lösungen. Sie werden der Komplexität der Herausforderungen nicht gerecht. Was nützt es, über den Geburtsfehler des Euro - die fehlende Einheit der Finanzsysteme - zu lamentieren, wenn der Euro die Kindheit hinter sich hat? Wäre es nicht klüger, das Kind zu stärken als zu schwächen, und die Währungsunion durch eine Union einheitlicher Finanzsysteme zu ergänzen?