Wie ein altes Ehepaar? Seit 2008 kommentieren Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn Fußball live fürs ZDF

Cäsar & Cleopatra, Napoleon & Josephine, Cindy & Bert - es gibt viele berühmte Paare in der europäischen Kulturgeschichte, und alle haben uns Bemerkenswertes hinterlassen. Man denke nur an Napoleons tiefsinnige Feststellung, Ruhm sei vergänglich, aber Bedeutungslosigkeit sei für immer.

Tja. Zweifellos ist Oliver Kahn ein bedeutender Fußballer gewesen - 424 Bundesligaspiele für den FC Bayern München, 86 für die Nationalmannschaft, achtmal deutscher Meister, sechsmal DFB-Pokal-Sieger, einmal Champions-League-Gewinner -, aber der Ruhm dieses Torwarts wurzelt nicht in seinem Durchhaltevermögen, sondern in seiner absolut unnachahmlichen Art. Kahn war es ja, der in den Schlussminuten eines im Prinzip verlorenen Spiels in den gegnerischen Strafraum rannte und einen Eckball ins Tor faustete. Kahn war es, der einem gegnerischen Stürmer die Zähne in den Hals schlug und anschließend erklärte, der Trainer habe gesagt, "wir sollen uns am Gegner festbeißen".

Ohne Leidenschaft kein Ruhm. So sieht's aus. Oder, wie Kahn selbst zu sagen pflegt: "Wer besser sein will als der Durchschnitt, braucht dazu ein gewisses Maß an Besessenheit."

Umso mehr wundert man sich, wenn man Kahn im ZDF erlebt. An der Seite von Katrin Müller-Hohenstein, mit der er seit 2008 die Fußballübertragungen des Mainzer Senders kommentiert, wirkt der große Mann geradezu abgeklärt und weich gespült.

Vermutlich liegt es daran, dass sich der 42-Jährige inzwischen als Philosoph begreift. Seit er die Fußballschuhe an den Nagel gehängt hat, hat Oliver Kahn ja nicht nur Bücher geschrieben, in denen er sich auf Aristoteles und Kant stützt - "Nummer eins" (2004), "Ich. Erfolg kommt von innen" (2008), "Du packst es! Wie du schaffst, was du willst" (2010) -, sondern seitdem tritt er auch einschlägig als Vortragsredner in Erscheinung ("Die Philosophie der Nummer 1"). Banker und Vermögungsberater saugen dann auf, was ihnen der "Titan" zuruft. Zum Beispiel, dass man "an sich selbst glauben" muss oder "Niederlagen als Chance begreifen" kann. Das macht so einem Banker von heute natürlich Mut.

Kahn & KMH, wie Katrin Müller-Hohenstein intern genannt wird, sind das zurzeit bedeutendste Duo der deutschen Fußballmoderationsgeschichte. Nach Delling & Netzer, Kerner & Klopp. Schönster Beweis: Die Aufregung um den Pausenkommentar des Paars zu Miroslav Kloses Tor gegen die Australier bei der WM 2010. KMH meinte lässig, für Klose sei das aber "ein innerer Reichsparteitag, jetzt mal ganz im Ernst, dass der heute hier trifft", und Kahn ergänzte: "Ja, das ist für ihn eine Erlösung."

Der "Shitstorm", den KMH nach eigenen Worten anschließend über sich ergehen lassen musste - "Nazi-Spruch!", "Skandal!" -, hat der Erlangerin erstaunlicherweise nicht den Mut abgekauft. Sie freue sich "unglaublich" auf die vor ihr liegenden Wochen, hat die 46-Jährige am Donnerstag in Heringsdorf gesagt, wo das ZDF eine Strandarena mit 1000 Plätzen aufgebaut hat. Von dort aus werden Oliver Kahn und Katrin Müller-Hohenstein alle EM-Spiele live kommentieren, die das Zweite aus Polen und der Ukraine überträgt - am Sonntag erstmals beim Spiel Spanien/Italien.

Aus der Sicht von KMH ist der Titan übrigens auch viel zahmer geworden. "Früher", sagt sie, "konnte er sich ja so herrlich aufregen. Heute ist es so: Wenn ich schon auf der Palme sitze, dann ist er immer noch total gelassen." Das sei doch erstaunlich. Sie habe, so Katrin Müller-Hohenstein weiter, den Eindruck, dass der Kahn von heute viel mehr Spaß am Leben habe als der Kahn von gestern. Das hat sich den Kollegen der Fußballzeitung "11 Freunde" aber offenbar noch nicht ganz vermittelt. Die bekritteln "knochentrockene Spielanalysen nach Schema F". Außerdem finden sie, Kahn und KMH würden sich "vor der Kamera stets so ausdruckslos anblicken wie ein resigniertes Ehepaar vor dem letzten Schlichtungstermin beim Scheidungsrichter". Da kann man mal gespannt sein, wie sich das neue Strandleben auf die beiden auswirkt.