Warum die Finanzwirtschaft die Kosten der Krise mittragen muss. Aus Schaden wird man klug. In atemberaubender Geschwindigkeit wirft die Politik derzeit alte Grundsätze über Bord.

Erst ringt sich die Bundesregierung überraschend zu einer Finanzmarktsteuer durch, nur wenig später legen die europäischen Finanzminister Hedgefonds Beschränkungen auf. Den plötzlichen Sinneswandel haben bei der FDP die Wähler in Nordrhein-Westfalen, auf europäischer Ebene die Devisenmärkte befördert. Der Euro-Verfall hat wie ein Katalysator gewirkt und die Positionen der Handelnden radikal verändert - in einer Weise, die vor der Krise niemand für möglich gehalten hätte. So war beispielsweise eine Finanzmarktsteuer, einst ersonnen vom US-Ökonomen James Tobin, die Kernforderung, ja der Gründungsimpuls der außerparlamentarischen Globalisierungsgegner von Attac; Liberalen galt sie stets als Teufelswerk.

Tatsächlich sind neue Regulierungen und mögliche Transaktionssteuern kein Allheilmittel. Zu einem wirksamen Instrument werden sie erst, wenn sie weltweit gelten - das aber steht nach wie vor in den Sternen. Nationale oder auch kontinentale Alleingänge schaden eher. Zudem sind Spekulationen nicht per se schlecht, sondern machen Märkte effizient. Spekulanten sind so auch nicht die Urheber der europäischen Schuldenkrise, sondern höchstens ihr Verstärker. Und doch ist die finanzpolitische Wende, die das Denken und Handeln der Politik erfasst hat, überfällig.

Die Krise hat eine Dynamik erreicht, welche die Regierungen vor sich hertreibt und zu einer Realpolitik nötigt, die nie Teil ihrer Programmatik war. Die finanzpolitische Wende verdeutlicht zugleich, dass die Finanzwirtschaft und die Spekulanten das Spiel überreizt haben. Wer die Weltwirtschaft an den Abgrund geführt hat, kann nicht von der Politik ungestraft wenige Monate später wieder rauschende Partys feiern, üppige Boni ausschütten und Milliardengewinne erzielen, während die Retter - die Staaten - der Pleite entgegentaumeln. Und wer wie Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein schwadroniert, Banken verrichteten "Gottes Werk", redet nicht nur Unsinn, sondern staatliche Kontrolle geradezu herbei. Die Politiker in den USA und Europa wissen, dass die Wut ihrer Wähler mit jeder Steuer- und Gebührenerhöhung wegen der Krise wächst. Diese Politik der Grausamkeiten steht erst am Anfang. Eine symbolische Belastung der mutmaßlichen Verursacher der Krise ist nicht nur aus Gründen der politischen Hygiene, sondern aus purem Machterhalt alternativlos. Richtig ist sie ohnehin: Wer den Markt vor sich selbst retten will, muss ihn jetzt regulieren.