Berlin. Ist der neue Stil der Ampel schon dahin? Bei „Hart aber fair“ zeigte sich: Zumindest Kevin Kühnert hat seine Leichtigkeit verloren.

  • Hat die Ampel-Koalition ihren Zenit schon überschritten?
  • Nach der NRW-Wahl müssen sich SPD und FDP unangenehmen Fragen stellen
  • SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert steht für eine Aussage besonders im Fokus

War die Ampel nur ein Unfall? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Montagabend die Runde bei „Hart aber fair“. Anlass war die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die CDU und Grüne als Gewinner und SPD und FDP als Verlierer zurückgelassen hat.

"Hart aber fair": Diese Gäste waren dabei:

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Omid Nouripour, Grünen-Bundesvorsitzender
  • Carsten Linnemann, stellv. CDU-Parteivorsitzender
  • Michael Bröcker, Journalist (Chefredakteur der Media Pioneer GmbH)
  • Melanie Amann, Journalistin (Mitglied der "Spiegel"-Chefredaktion)

„Hart aber fair“: Kühnert ist nicht mehr federleicht

Beachtlich war, dass der Talk ein kleines Tribunal über die SPD wurde. Zunächst ging es um den anwesenden Generalsekretär der Sozialdemokraten selbst: Weil Kevin Kühnert am Wahlabend nicht umstandslos die Niederlage der SPD in NRW eingeräumt und sie aus der Regierungsbildung genommen hat, wurde er viel kritisiert – so auch von seinen Mitdiskutanten.

„Sie sind viel klüger“, schmetterte ihm etwa Michael Bröcker, Chefredakteur von „The Pioneer“, an den Kopf. Und Gastgeber Frank Plasberg fragte, ob das denn der neue Politikstil sei, für den Kühnert – und auch die gesamte Ampel – stehen wollen.

Das war berechtigte Kritik, weil der einst federleichte Kühnert in seiner neuen Rolle mittlerweile durchaus klassisch Auftritt: Der Generalsekretär ist meistens ein Haudrauf, der auch mal Dinge mit Floskeln schönredet und sie ein bisschen verdreht – etwa, indem er eine Niederlage nicht unumwunden zugibt.

Das hätte Kühnert im Fall von NRW schon gut gestanden, auch wenn er seine Äußerungen vom Wahlabend bei „Hart aber fair“ formal korrekt verteidigte: Theoretisch ist eine Regierungsbildung unter Beteiligung der SPD ja tatsächlich weiter möglich.

Eine solide Verteidigung für Olaf Scholz

Doch auch abseits von NRW musste Kühnert viel verteidigen. Dabei setzte er nicht auf die Methode Habeck – ruhig bleiben, Zweifel einräumen, Demut zeigen – sondern eher auf Angriff. Das funktionierte manchmal gut, so etwa beim Thema Scholz.

Hat der Kanzler der SPD in NRW mit seiner wankelmütigen Haltung bei den Waffenlieferungen für die Ukraine geschadet? „Olaf Scholz war überhaupt kein Klotz am Bein“, formulierte es Kühnert zunächst auffallend defensiv, um dann stärker zu werden: Im Wahlkampf hätten sich viele Menschen für die abwägende Haltung des Kanzlers bedankt.

Und überhaupt gebe es ja auch einen anderen Scholz, erinnerte Kühnert unter Verweis auf den leidenschaftlichen Auftritt des Kanzlers am 1. Mai. Die Sache sei nur: „Die Menschen wollen ja nicht dauerhaft von einem HB-Männchen regiert werden.“ Scholz‘ Sachlichkeit werde geschätzt.

SPD-Problemfall Christine Lambrecht

Das war keine überraschende, aber eine plausible Haltung. Schwieriger wurde es für Kühnert, als es um Christine Lambrecht ging. Die SPD-Verteidigungsministerin ist für die Ampel eine Belastung; durch vielerlei Fauxpax wie dem – rechtlich wohl einwandfreien – Mitflug ihres Sohnes ist sie zum Ziel von Rücktrittsforderungen geworden.

So richtig leidenschaftlich konnte der SPD-Generalsekretär in diesem Falle nicht verteidigen. Im Grunde beschränkte sich Kühnert darauf, den Medien eine unsachliche Berichterstattung vorzuwerfen. „Es wird auf Äußerlichkeiten eingegangen“, kritisierte er. Was im Ministerium alles passiere, werde dagegen kaum erwähnt.

Das Fazit

Die eigentliche Frage dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ war schnell beantwortet: Direkte Auswirkungen auf die Ampel wird die Landtagswahl in NRW nicht haben. Es wurde allerdings deutlich, dass sich die Stimmung in Berlin ändern könnte. Die Grünen glänzen – SPD und FDP werden nun versuchen müssen, sich erst recht zu profilieren.

Bemerkenswert war an dem Talk vielmehr, dass das Dilemma von Kevin Kühnert deutlich wurde. Dessen einstiger Politikstil ist ein stückweit verflogen, die Rolle des Generalsekretärs hat ihn absorbiert. Das muss nicht per se etwas Schlechtes sein, denn Kühnert scheint der Aufgabe gewachsen. Innovativ ist sein Vorgehen aber nicht mehr.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.