Hamburg. Die berühmte Schauspielerin hat als eine der Ersten verstanden, wie sich Aufmerksamkeit in Geld verwandeln lässt.

Es gibt nur wenige, die auf die Corona-Pandemie so gut vorbereitet gewesen sind wie Gwyneth Paltrow. Sie wusste genau, was uns erwartet, wenn sich ein neuartiges Virus von China aus weltweit ausbreitet. Wenn eine globale Pandemie unser Leben radikal auf den Kopf stellt, wenn es nur noch darum geht, die Quelle und einen Impfstoff zu finden, während Ausgangssperren und täglich steigende Todeszahlen den Alltag der Menschen bestimmen. Gwyneth Paltrow hat genau dieses Szenario vor neun Jahren bereits durchgemacht. Sie spielte im Thriller „Contagion“ („Ansteckung“) die Geschäftsreisende Beth Emhoff, die nach einem Aufenthalt in Hongkong zurück in den USA plötzlich eine Art Grippe bekommt.

Erst hat sie Husten, dann Fieber. In Rückblenden sieht der Zuschauer, wie ein Kellner ihr Glas abräumt, wie Emhoff einer Kassiererin ihre Kreditkarte zum Bezahlen gibt, wie ihr das liegen gelassene Handy von einer Frau hinterhergebracht wird, wie sie Nüsse aus einer Schale an einer Flughafenbar isst. Regisseur Steven Soderbergh zeichnet den Weg eines Virus nach, in seiner Geschichte heißt es MEV-1. Der ganze Plot, bei dem Gwyneth Paltrow Patient Zero darstellt und unschön verstirbt, weist eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem auf, was wir nun beim Coronavirus erleben.

Parallelen von Fiktion und Realität

Hat Hollywood geahnt, was auf uns zukommt? Man sieht in dem Film Virologen, die den Menschen erklären, was ein Reproduktionsfaktor ist und warum sie künftig Abstand voneinander halten müssen. Man erlebt, wie Schulen, Arbeitsstätten und Fitnessstudios geschlossen, wie Millionenmetropolen in Asien abgeriegelt werden, wie Flughäfen verwaisen, wie um Masken gekämpft wird. Man verfolgt Hamsterkäufe, überfüllte Krankenhäuser und die verzweifelte Suche nach einem Impfstoff. Man sieht all das, was wir jetzt erleben.

Sogar die Quelle des Virus stimmt mit der überein, die für Sars-CoV-2 vermutet wird. Im Film lässt eine Fledermaus ein Stück Banane fallen, das von einem Ferkel gefressen wird, das über einen chinesischen Markt in einem Restaurant landet. Der Koch bereitet das geschlachtete Schwein zu, als er gebeten wird, ein Foto mit einem Gast zu machen. Er schüttelt Beth Emhoff die Hände – die er zuvor nicht gewaschen hat. Der Startschuss einer Epidemie.

Corona in Hamburg – die Bilanz des Bürgermeisters

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    Bei Twitter wird seit Beginn der Corona-Krise unter dem Hashtag #contagion über die Parallelen von Fiktion und Realität gemutmaßt; der Hollywoodblockbuster hat es fast zehn Jahre nach seiner Premiere wieder in die iTunes-Charts geschafft und wird gestreamt ohne Ende (in Deutschland zum Beispiel über Joyn+). Gwyneth Paltrow postete bereits Ende Februar ein Foto von sich auf dem Weg zur Pariser Fashion Week, auf dem sie im Flugzeug eine Atemmaske trägt. Dazu schrieb sie: „Ich war schon in diesem Film.“ Und gab ihren sieben Millionen Followern auf Instagram die klare Anweisung: „Schüttelt keine Hände. Wascht sie regelmäßig!“

    Schauspielerin ihrer Zeit voraus

    Die Schauspielerin und Wellnessexpertin war ihrer Zeit – mal wieder – voraus. Und auch das ist typisch Paltrow: Ihre Atemmaske ähnelte keineswegs dem 08/15-Standardschutz, mit dem wir unsere Gesichter zwei Monate später endlich verhüllten. Sie trug für das Selfie eine schicke schwarze „Urban Air Mask“ des Labels Airinum mit austauschbarem Filter. Das futuristische Luxusding aus Schweden ist inzwischen ausverkauft.

    Um auf die ernstzunehmende Bedrohung durch Covid-19 aufmerksam zu machen, appellierte die Amerikanerin kurz darauf, die Ausgangs- und Kontaktsperren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: „Wir müssen die Anweisungen ernst nehmen und dürfen die Freiheiten, die wir noch haben, nicht ausnutzen. Dies ist nicht die Zeit für Ignoranz.“

    Außerdem beteiligte sich die 47-Jährige an der #allinChallenge, um Geld für die Bekämpfung des Coronavirus zu ersteigern. Sie spendete ein Kleid, das sie vor 20 Jahren bei der Oscarverleihung trug und das, wie sie sagte, einen großen sentimentalen Wert für sie habe: „Millionen von Menschen leiden unter der Krise. Wir müssen zusammenhalten.“

    Gwyneth­ Paltrow setzte frühzeitig auf ein zweites Standbein

    Auch die anderen Darsteller aus „Contagion“, Matt Damon und Kate Winslet, leisteten Aufklärungsarbeit. Gemeinsam mit Wissenschaftlern drehten die Stars bei sich zu Hause Videos, in denen sie über diverse Details, Fakten und Perspektiven der weltweiten Pandemie informierten. Regie führte bei diesem Projekt wieder Steven Soder­bergh, der nun von der Directors Guild of America auserkoren wurde, den Neuanfang der Branche zu organisieren. Wann und wie können die Kameras wieder laufen? Wann dürfen die Beteiligten der Traumfabrik zurück an die Arbeit gehen, und wie wird ihre Gesundheit geschützt?

    Diese Fragen interessieren Gwyneth­ Paltrow nicht mehr so dringlich, denn sie ist heute nur noch Schauspielerin in der Erinnerung. Als smartes Girl setzte sie frühzeitig auf ein zweites Standbein und gründete 2008 ihr Unternehmen Goop. Warum von der Entscheidung der Regisseure oder Produzenten abhängig sein, wenn man viel besser sein eigenes Ding drehen kann? Die Amerikanerin startete ihre Life­style- und Wellnessmarke mit einem Newsletter, in dem sie ein Rezept für Bananen-Nuss-Muffins empfahl. Heute schätzen Experten den Wert ihrer Firma auf 250 Millionen Dollar.

    Rückkehr als Schauspielerin

    Als Schauspielerin scheint Paltrow quasi in Rente gegangen, sie fungiert nun lieber als Boss von 250 Mitarbeitern: „Ich wusste, es müsste noch mehr geben, als vor der Kamera mit Matt Damon rumzumachen.“ Andere wären neidisch auf diese Flirterei, Paltrow hatte sogar noch bessere. Sie flirtet beispielsweise mit Jude Law in „Der talentierte Mr. Ripley“, mit Brad Pitt in „Sieben“, mit Robert Downey jr. in „Iron Man“, mit Ewan McGregor in „Emma“, mit Jake Gyllenhaal in „Der Beweis“ oder mit Joseph Fiennes­ in „Shakespeare in Love“. (Dafür erhielt sie den Oscar, also für ihre Darstellung allgemein, nicht nur für die Knutscherei).

    Nach fünf Jahren Pause kehrte die Amerikanerin Anfang des Jahres ausnahmsweise als Schauspielerin für die Netflix-Produktion „The Politician“ zurück, mit der besten aller Begründungen: „Ich habe diese Rolle nur angenommen, weil ich Sex mit dem Autor habe!“ Produzent und Drehbuchautor von „The Politician“ ist nämlich ihr Ehemann Brad Falchuk. Und wenn GP – so wird sie in ihrer Firma genannt – eine Sache anfängt, dann macht sie sie richtig. Wie zieht man maximale Aufmerksamkeit auf ein TV-Projekt? Indem man auf den Golden Globes quasi nackt erscheint. Die Schauspielerin schritt in einer durchsichtigen Robe von Fendi über den roten Teppich und zeigte allen Upcoming Stars noch einmal, wie sexy 47 Jahre aussehen können. Alter!

    Ihre Geheimnisse für ewige Jugend

    Kommt natürlich nicht von nichts. Paltrow verschont ihre Fans mit dem üblichen „Ich habe gute Gene“-Quatsch und lässt uns stattdessen via www.goop.com an ihren Geheimnissen für ewige Jugend teilhaben. Sie postet Detox-Kuren, schreibt Kochbücher, entwickelt eine „Clean Skin Care Line“, hält Wellness-Symposien ab, empfiehlt Kleidung und Möbel und hostet einen Podcast mit Gästen wie Oprah Winfrey. 30 Millionen Downloads zählt dieser, mehr als acht Millionen Menschen abonnieren den Newsletter.

    OMR-Party mit Das Bo und DJ Plazebo:

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    GPs Geschäftserfolg beruht nicht, wie man vermuten würde, auf ihrem Namen, sondern vor allem auf Geduld. Sie verkörpert ihr Produkt: Entspannung. Team Paltrow lieferte vier Jahre lang regelmäßig und fleißig Content und baute eine Beziehung zu den „Goopies“, wie die Paltrow-Anhänger genannt werden, auf, dann erst begann die Monetarisierung der Marke durch eCommerce. Erstes Verkaufsobjekt war ein T-Shirt für 90 Dollar, erstes Sexspielzeug im Onlineshop ein vergoldeter Dildo für 15.000 Dollar.

    Legendäre Duftkerzen

    Legendär geworden sind die Duftkerzen, die „riechen wie meine Vagina“ (Paltrow bzw. die beste Marketingfrau der Welt) und die Yoni-Eier aus Rosenquarz oder Jade, die die sexuelle Energie erhöhen und für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt sorgen sollten. Nicht nur Gynäkologen protestierten entrüstet gegen diese wissenschaftlich unbelegten Heilsversprechen; Goop musste nach einem Rechtsstreit 145.000 Dollar Strafe zahlen.

    Gwyneth Paltrow machen negative Schlagzeilen wenig aus, im Gegenteil, sie weiß genau, wie sie Aufmerksamkeit in Geld verwandelt. GP war eine Influencerin, als es diese Berufsbezeichnung noch nicht gab. Sie weiß ihre Bekanntheit clever zu nutzen, wenngleich Ruhm in ihren Augen ungesund für die Entwicklung eines Charakters ist. Als Chef möchte sie stets freundlich und transparent sein: „Es ist mir sehr wichtig, dass es in meiner Firma eine gute Work-Life-Balance gibt und dass sich alle als Teil unserer Mission sehen.“ Das Goop-Kollegium besteht zum größten Teil aus Frauen, was am Themen­spektrum Wellness, Ernährung, Beauty, Reisen und Lifestyle liegen kann. Oder daran, dass diese schlanke, dünne, von vielen wegen ihrer Perfektion angefeindete Hollywoodprinzessin eine bislang übersehene Feministin ist.

    Ein Fest, Harvey Weinstein in Handschellen zu sehen

    In der „MeToo“-Bewegung spielte Gwyneth Paltrow eine entscheidende Rolle. Als eine der Ersten beschuldigte sie Harvey Weinstein der sexuellen Belästigung, er habe am Anfang ihrer Karriere versucht, sie zu einer Massage im Schlafzimmer zu überreden. Paltrow hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, mit ihrer Aussage irgendeinen Wandel anstoßen zu können: „Um ehrlich zu sein, war ich fast davon überzeugt, dass es nichts bringen würde, wie schon viel zu oft. Geschichtlich gesehen haben Frauen so oft um Veränderung und Gleichberechtigung gekämpft – und meistens hat es nichts bewirkt. Im Gegenteil, sie wurden dann noch verleumdet oder beschimpft. Aber dieses Mal war die Gesellschaft und die Welt für eine Veränderung bereit!“

    Später gab sie zu, jemanden wie Weinstein, der in ihrem beruflichen Umfeld als omnipotent galt und über die Karrieren von Menschen bestimmen konnte, in Handschellen zu sehen, sei für sie auch als Mutter einer Teenager-Tochter „einfach atemberaubend“. Paltrow hat außerdem einen Sohn aus ihrer ersten Ehe mit dem Coldplay-Frontmann Chris Martin, die Familie verbringt nach wie vor sehr viel Zeit miteinander. Als die beiden Stars sich nach elf Jahren Ehe trennten, dachten viele Hater: Ha! Endlich mal scheitert sogar Mrs. Überirdisch! Die neue Wortschöpfung in der Trennungserklärung „Conscious Uncoupling“ sorgte für Gespött. Andere liefern sich einen zünftigen Rosenkrieg oder lügen, Freunde bleiben zu wollen, das Paar Paltrow/Martin jedoch favorisiert eine „bewusste Entpaarung.“

    Halluzinogene Pilze und das weibliche Geschlechtsorgan

    Der Text zu dem Thema auf dem Goop-Blog wurde so häufig geklickt, dass der Server zusammenbrach. Dabei stammt die seltsame Formulierung gar nicht von Paltrow, sondern Goop-Redaktionsleiterin Elise Loehnen hatte ihn über die Bekanntmachung gesetzt. Die dämlichen Witze steckte die Getrennte mit einem Lächeln weg. Fakt ist: Das Paar legte tatsächlich eine Bilderbuchscheidung hin. Inzwischen sieht man die Stars sogar gemeinsam mit den jeweils neuen Partnern am Strand chillen. Vier Leute im Sand, die sich alle gut zu verstehen scheinen. Happy End.

    Paltrows jüngstes Projekt und eine konsequente Weiterführung ihrer Markenexpansion heißt „The Goop Lab.“ Die Netflix-Serie spielt in der Goop­-Zentrale in Santa Monica. Einrichtung und die Outfits der Mitarbeiter scheinen komplett aus Pastelltönen zu bestehen. La vie en rose. Aber gut, wenn einer gelernt hat, mit Kulissen und Outfits eine bestimmt Stimmung zu erzeugen, dann ein Hollywoodprofi. In den sechs Folgen testen verschiedene Mitarbeiter halluzinogene Pilze, springen in den eiskalten Lake Tahoe, um Stress zu reduzieren, erkunden das weibliche Geschlechtsorgan (erschreckend viele Detailaufnahmen) oder lassen sich von einem Energieexperten behandeln, was so aussieht, als würde man einem Exorzisten bei der Arbeit zusehen.

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    Klingt ungewöhnlich, und in der Tat gibt es viele umstrittene Wellness-Themen, die dringend unter die Lupe genommen werden sollten. In dieser Reihe kommt das aber nicht zu abgefahren rüber, und der Star der Show lässt nicht alles seine Angestellten machen, sondern Paltrow legt sich auch mal auf eine Liege für ein Vampirlifting oder isst fünf Tage lang nur Astronautensuppe.

    Letztendlich geht es um das, was keiner so überzeugend verkörpert wie Gwyneth Paltrow: Selbstoptimierung. In der Netflix-Doku erklärt sie, das Leben sei kurz, und wir alle müssten schauen, wie wir das Beste rausholen. Auf Englisch klingt es irgendwie besser. Zitat GP: „We get one life, so why not milk the shit out of it?“

    • „Philipp – Volume 2 – Platz für Neues“ erscheint – passend zum ursprünglichen Termin der OMR – als digitales E-Paper. Im Magazin begegnen die Leserinnen und Leser vielen inspirierenden Menschen der digitalen Welt: Von Philipp Wes­termeyer, Jan Delay, Fynn Kliemann über Scott Galloway bis hin zu Gwyneth Paltrow.
    • Das erste „Philipp“-Magazin im vergangenen Jahr war eine Kooperation von OMR und Hamburger Abendblatt. Chefredakteur Lars Haider hatte die Idee. In diesem Jahr sind die Kollegen vom Fachmagazin „Horizont“ auch mit dabei. Auch OMR und „Horizont“ bieten das Magazin zum Download an.

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