Es ist knapp zweieinhalb Jahre her, da veränderte ein Mann unser aller Bild der Arbeit von Geheimdiensten. Edward Snowden arbeitete bis 2013 für den nebulösesten und mutmaßlich mächtigsten von ihnen, die National Security Agency, die NSA. Jahrelang existierte sie in der Öffentlichkeit nur als Gerücht, bis heute ist nicht viel darüber bekannt, was sie eigentlich tut.
Das Wenige aber, das wir wissen, haben wir Edward Snowden zu verdanken. Erschreckt und wütend über die digitale Machtfülle des Dienstes begann er, in monatelanger Kleinarbeit Dokumente zusammenzustellen und den Kontakt zu Laura Poitras zu suchen, einer vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilmerin. Snowden, so erfährt man es in dem mit Oscar, Emmy, BAFTA Award, Deutschem Filmpreis und mehr prämierten Dokumentarfilm „Citizenfour“, den Poitras über Snowden gedreht hat, hat die Amerikanerin unter anderem kontaktiert, weil sie bereits unter Beobachtung des Sicherheitsapparats stand. Als sie die ersten verschlüsselten und nur mit dem Pseudonym Citizenfour unterzeichneten Mails von Snowden bekam, arbeitete Poitras am letzten Teil ihrer Trilogie über die Folgen der Attentate vom 11. September für die USA. Er sollte sich um die Terrorabwehr und um die Arbeit von Whistleblowern drehen.
Eine Mischung aus Spionage-Thriller und Dokumentation
Whistleblower wie Snowden, der sich Anfang Juni 2013 mit Poitras, mit Glenn Greenwald und Ewen MacAskill vom „Guardian“ in einem Hotel in Hongkong traf. Was er ihnen erzählte, was er ihnen beweisen konnte mittels geheimer Dokumente, beschäftigt Politik und Medien weltweit bis heute. „Citizenfour“ zeigt die Gespräche und ihre Folgen, vom ersten Kontakt über den überstürzten Aufbruch aus Hongkong bis zum unfreiwilligen Exil Snowdens in Moskau. Der Film zeigt eindringlich, wie viel Angst Geheimdienste auslösen können, auch bei investigativen Profis wie Greenwald und Poitras, auch in der Redaktion des „Guardian“ in London.
Und natürlich erst recht beim Insider Snowden. Manchmal wähnt man sich eher in einem Spionage-Thriller als in einer Doku. Wenn der IT-Spezialist unter eine Decke kriecht, um geheime Daten auf ein gesichertes Laptop zu spielen, wenn plötzlich der Feueralarm des Hotels anspringt, wenn bei einem Treffen von Anwälten zunächst alle Handys und Laptops aus dem Raum geschafft werden, um die Überwachung schwieriger zu machen.
Auf unterschiedlichen Wegen haben sich verschiedene Geheimdienste (allen voran die NSA und ihr britischer Counterpart, das GCHQ) Zugriff auf Millionen und Abermillionen von Datensätzen verschafft. Zum Teil auf Gesprächs- und Mailinhalte, zum Teil auch „nur“ auf die sogenannten Metadaten. In der Debatte wurden diese zunächst als weniger kritisch dargestellt, immerhin würden ja nicht die tatsächlichen Inhalte der Kommunikation abgefragt. Dass sich aus ihnen aber ein ausführliches Bild der überwachten Person anfertigen lässt – wann sie mit wem telefoniert oder geschrieben hat, wo sie sich aufgehalten hat, welche Webseiten sie besucht hat und mehr –, wurde lange Zeit heruntergespielt.
Auch wenn Greenwald schon 2013 bei einer Anhörung überzeugend darlegte, dass es sich um einen „großen Eingriff in die Privatsphäre“ handele.
Termin zur Ausstrahlung ist optimal gewählt
Die ARD hätte „Citizenfour“ zu kaum einem besseren Zeitpunkt ins Programm nehmen können. Hinter den Anschlägen von Paris und hinter den Nachrichten und Diskussionen über Hunderttausende von Schutzsuchenden, die nach Deutschland kommen, ist die Sorge um die totale Überwachung von Staats wegen zurückgetreten. In Deutschland wurde erneut die Vorratsdatenspeicherung beschlossen, in Großbritannien soll ein noch umfassenderes Gesetz erlassen werden, das in dieselbe Richtung zielt.
Auch in Frankreich mehren sich die Stimmen, die nach dem Terror des 13. November mehr Rechte für die Sicherheitsbehörden fordern. Und der deutsche NSA-Untersuchungsausschuss wird in dieser Woche tagen. Es wird ein Bericht aus dem Bundesjustizministerium erwartet, ob „dem Zeugen Snowden freies Geleit und Auslieferungsschutz gewährt werden kann“. Die Sitzung ist nicht öffentlich.
„Citizenfour“, Mo, 23.00 Uhr, ARD
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