Der Internet-Milliardär und Amazon-Chef Jeff Bezos übernimmt das US-Traditionsblatt für 250 Millionen Dollar. Dabei ist er sich sicher: „In 20 Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben.“

Hamburg. Jeff Bezos ist ein Mann, der gern Geld für Dinge ausgibt, die andere für spleenig halten. Der Gründer des Internet-Händlers Amazon engagierte sich finanziell bei der Bergung der abgesprengten Triebwerke der Saturn V-Rakete aus dem Atlantik, die 1969 die Mondfähre Apollo 11 in den Weltraum schoss. Er gründete 2000 die Firma Blue Origin, die eines Tages Privatleute ins All bringen will. Und er unterstützt das Projekt The Clock Of The Long Now, das es sich zum Ziel gesetzt hat, eine mechanische Uhr zu konstruieren, die in den nächsten 10.000 Jahren die exakte Zeit anzeigen soll.

Nun hat Bezos für 250 Millionen Dollar die „Washington Post“ gekauft. Auch das könnte man für einen Spleen halten, wenn man denn der Meinung ist, dass die gedruckte Zeitung als Medium keine Zukunft hat. Interessanterweise vertritt Bezos selbst diese Meinung. Der „Berliner Zeitung“ sagt er im November 2012: „Über eines bin ich mir sicher: In 20 Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben.“

Warum hat er dann aber die „Washington Post“ gekauft? Dafür könnte es mehrere Gründe geben. Einer davon könnte sein, dass die „Washington Post“ kein Blatt ist wie jedes andere. In den USA ist sie eine Institution. Es waren Reporter der „Washington Post“, die den Watergate-Skandal enthüllten. Die Zeitung wurde 1877 gegründet und ist die älteste noch erscheinende Tageszeitung der US-Hauptstadt – und, neben der „New York Times“, wohl die einflussreichste des ganzen Landes. Die Analogie mag ein wenig hinken, aber auf deutsche Verhältnisse heruntergebrochen wäre der Verkauf der „Washington Post“ an Bezos wohl nur mit einem Einstieg des Xing-Gründers Lars Hinrichs bei „FAZ“ oder „Süddeutscher Zeitung“ zu vergleichen.

Was der Internet-Milliardär Bezos, dessen Vermögen auf 22,1 Milliarden Dollar geschätzt wird, mit der „Washington Post“ konkret will, hat er bisher nicht verraten. Bekannt ist nur, was er nicht tun wird. Er habe nicht vor, ins Tagesgeschäft der Zeitung einzugreifen, schrieb er deren Angestellten: „Die Werte der ,Post' brauchen keine Veränderung. Die Zeitung wird ihren Lesern verpflichtet bleiben und nicht den Privatinteressen ihrer Besitzer."

Verfolgt Bezos mit dem Erwerb der Zeitung also keine wirtschaftlichen Interessen? Fast scheint es so. Der „Berliner Zeitung“ sagte er vor einem dreiviertel Jahr, die Printmedien befänden sich in einer sehr diffizilen „Übergangsphase“. Bezos meint den Übergang von gedruckten zu digitalen Medien. Er selbst liest Zeitungen nur noch auf dem Tablet. Diese Phase sei „für viele Verlagshäuser ökonomisch schwierig“, weil sie gedruckte und digitale Medien zugleich anbieten müssen. „Wenn man den Print-Bereich los wird und sich nur noch aufs Digitale konzentriert, entspannt sich zwar die ökonomische Situation. Das Problem ist, dass immer noch sehr viele Leser die gedruckte Ausgabe bevorzugen. Und diese Leute will man ja nicht verlieren. Gleichzeitig sind die Tablets noch nicht so weit verbreitet, dass man als Verlag damit überleben könnte.“

Übergangsphasen seien zwar „irgendwann abgeschlossen“, fügte Bezos hinzu, wer aber wie er mit dem Ende der gedruckten Zeitung erst in 20 Jahren rechnet, braucht einen sehr langen Atem. Dies und der Umstand, dass Bezos als Privatmann und nicht über Amazon bei der „Washington Post“ eingestiegen ist, deutet darauf hin, dass es ihm bei dem Zeitungsdeal um ein persönliches Interesse und nicht vorrangig um wirtschaftliche Motive geht.

Ähnliche Beweggründe mögen den US-Finanzinvestor Warren Buffet treiben, der seit geraumer Zeit amerikanische Lokalzeitungen aufkauft. Einige von ihnen schreiben wieder schwarze Zahlen, seit sie in seinem Besitz sind. Es ist ja nicht so, dass Zeitungen in der von Bezos diagnostizierten „Übergangsphase“ gar kein Geld mehr verdienen könnten. Allerdings machte die „Washington Post“ allein im ersten Quartal dieses Jahres Verluste in Höhe von 49 Millionen Dollar, weshalb die Verlegerfamilie Graham das Blatt nun an Bezos verkauft hat.

Weltweit sind die Zeiten vorbei, in denen Zeitungen hohe zweistellige Renditen einfuhren. Auch deshalb wechseln derzeit so viele Titel den Besitzer: In Deutschland veräußerte die Axel Springer AG ein aus mehreren Zeitschriften und Zeitungen bestehendes Paket – darunter auch das Abendblatt – an die Funke Mediengruppe („WAZ“, „Gong“). Die „New York Times“ trennte sich vom „Boston Globe“. Und das einst renommierte Nachrichtenmagazin „Newsweek“, das seit Anfang des Jahres in den USA nur noch digital erscheint, gehört nun dem Online-Unternehmen IBT Media.

Unproblematisch ist der Erwerb von Zeitungen durch branchenfremde Industrielle aber nicht. Die Kontrollfunktion der Presse erstreckt sich auch auf die Wirtschaft. In Frankreich, wo sich große Teile der Presse in Händen Branchenfremder befinden – dem Rüstungskonzern Dassault gehört etwa „Le Figaro“ – funktioniert diese Kontrolle eher schlecht. Nur wenn Bezos sich an sein Versprechen hält, nicht ins Tagesgeschäft der „Washington Post“ eingreifen zu wollen, hat das Blatt in dieser Hinsicht nichts zu befürchten.