Auch im vierten “Spreewaldkrimi“ setzt sich Christian Redl als Kommissar Krüger mit den Schatten der Vergangenheit auseinander.

Die Filmhandlung ist so verschlungen wie das knorrige Geäst der Spreewaldbäume. Es geht um korrupte Deals aus der Wendezeit der DDR, Republikflüchtige und Sozialismus, um uralte Legenden um einen Schlangenkönig und rätselhafte Kinderzeichnungen. Und um zwei Leichen, beide getötet mit Schlangengift. Am Fundort hat der Mörder als stumme Botschaft jeweils eine Ringelnatter kunstvoll drapiert. Von der ersten Folge an hat der ZDF-Spreewaldkrimi auf Atmosphäre gesetzt, das ist auch in der vierten Ausgabe "Eine tödliche Legende" nicht anders. Beinahe poetisch ist die Inszenierung von Regisseur Torsten C. Fischer (Drehbuch: Thomas Kirchner), die nasskalte Stimmung heraufbeschwört, morastigen Kanälen und verästelten Flusslandschaften ein Eigenleben zugesteht.

Auf dem Unterhaltungsdampfer der deutschen Fernsehkrimis sind die Geschichten aus dem Spreewald die mitternächtlichen, im Flüsterton geraunten Gruselgeschichten. Statt knallharter Sozialverbrechen dominieren Geheimnisse und die Schatten der Vergangenheit den Plot. Wer könnte im Spreewald also besser ermitteln als der melancholische Einzelgänger Thorsten Krüger (Christian Redl), für den jedes Wort eines zu viel ist. Der zu Waldeichhörnchen und Flugenten einen besseren Draht hat als zu seinen Mitmenschen.

Der 64 Jahre alte, in Schleswig geborene Redl, der heute in Hamburg lebt, braucht für die Darstellung seines Kommissars nur wenige Gesichtsausdrücke - die jedoch hat er perfektioniert: Die Stirn in steile Falten gelegt, der Blick so durchdringend, als könne er sich in die Seele seines Gegenübers bohren. Krüger bringt es fertig, sogar die Blutwurst auf seinem Teller vorwurfsvoll anzusehen. "Krüger hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er schaut sich die Menschen an, er durchschaut sie und beurteilt sie, ganz frei von moralischen Kriterien", sagt Redl.

Nur selten hat der Schauspieler, den viele immer noch als "Hammermörder" in Erinnerung haben, in seiner Karriere grob gestrickte Bösewichte gespielt, immer wieder aber Menschen in der Sackgasse des Lebens. Auch Krüger ist einer, dem das Schicksal oft den Boden unter den Füßen weggezogen hat - weshalb er sich womöglich so zielsicher bewegt in diesem von Sümpfen und Wasserläufen geprägten Gebiet in Brandenburg, das kaum über festen Grund verfügt. Man muss die (gewiss nicht perfekten) ZDF-Spreewaldkrimis schon allein dafür mögen, dass sie die Grenzen des Krimigenres hinter sich lassen.

Es ist die verwunschene Szenerie, die den Rhythmus des Films vorgibt, der im Kern ein Märchen ist. Nebelbänke, in Baumwipfeln gebrochenes Licht und die Unheil heraufbeschwörende Musik lassen den Zuschauer immer wieder vergessen, dass hier eigentlich ein Mord aufgeklärt werden soll. Unterstützung bekommt Kommissar Krüger bei dem Fall nur verhalten. "Es bringt nur Unglück, an den alten Geschichten zu rühren", erklärt ihm eine alte Frau, die mit dieser Prophezeiung natürlich recht behalten wird.

Den Ballast der üblichen Krimiermittlungen hat der bilderwuchtige Spreewaldkrimi abgeworfen. Hier blubbert keine Kaffeemaschine im Präsidium, kein Staatsanwalt wird nachts aus dem Bett geklingelt, um den Durchsuchungsbefehl zu unterschreiben. Stattdessen führt "Eine tödliche Legende" einen Haufen Figuren ein, von denen manche als Geister in die Handlung zurückkehren. Muriel Baumeister etwa spielt eine traurig-schöne Kindfrau, die den geheimnisvollen Tagebuchaufzeichnungen ihres ermordeten Vaters (Rüdiger Vogler) auf den Grund gehen will - und tief eintaucht in dessen Kindheit. Die Vergangenheit, sie ruht nicht, sie ist quicklebendig. Jedenfalls im Spreewald.

"Spreewaldkrimi - Eine tödliche Legende" Mo 1.10., 20.15 Uhr, ZDF