Nachrichtensendung frischt Titelmusik auf - nicht zum ersten Mal in den letzten 60 Jahren. Verantwortlich ist diesmal US-Komponist Henning Lohner.

Hamburg. Was, bitte schön, macht eigentlich eine Informationssendung im Fernsehen aus? Zu allererst kommt es selbstverständlich auf die Qualität der Beiträge an. Nicht schlecht ist es auch, wenn der Moderator etwas von seinem Handwerk versteht. Eine gewisse Rolle spielt ganz vielleicht auch die Studiodekoration. Aber die Titelmelodie einer Polit-, Nachrichten- oder Sportsendung? Ist die nicht eigentlich zu vernachlässigen?

Von wegen. Nachdem "Bild" am Dienstag meldete, die "Tagesschau" wolle ihre Titelmelodie entsorgen, setzten allein die deutschen Nachrichtenagenturen bis 15.30 Uhr 17 Meldungen zu dem Thema ab. Das "Ta-ta, ta ta ta taa" bewegt nach Ansicht der Agenturredakteure die Nation . Die Kollegen von "Bild" sahen das offenbar ähnlich, als sie die Meldung über die "Tagesschau"-Melodie zur Titelgeschichte machten. Und die Spaßvögel von der "Titanic" haben bereits als "erste Version" des neuen Jingles der Nachrichtensendung ein Stück online gestellt, das an die dunkel dräuende Musik des Science-Fiction-Films "Inception" gemahnt.

Tatsächlich wird die Titelmusik der "Tagesschau" gar nicht "entsorgt". Sie soll vielmehr ein wenig aufgefrischt werden. "Dabei bleiben natürlich die Grundelemente der ,Tagesschau'-Melodie erhalten, die sie so unverwechselbar machen", sagt Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell. Verantwortlich für die Sound-Renovierung ist die Firma des Filmmusikers Hans Zimmer Remote Control in Hollywood. Eben jener Zimmer komponierte einst auch die Musik für "Inception". Er selbst wird sich mit der "Tagesschau"-Melodie aber nicht befassen. Die Überarbeitung der "Tagesschau"-Fanfare soll nach ARD-Angaben sein Kollege und Mitarbeiter Henning Lohner übernehmen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Nachrichtensendung ihre Titelmelodie auffrischt. Die Website Tagesschau.de kennt neun verschiedene Versionen der "Tagesschau"-Musik. Die erste aus dem Jahre 1952 hat mit der heutigen rein gar nichts zu tun. Sie klingt wie eine Mischung von Fanfare und Tanzmusik. Mit derlei Klängen wurden seinerzeit gern bunte Beiträge der Wochenschau unterlegt.

Die Titelmelodie von 1956 ist dagegen mehr oder weniger identisch mit der "Tagesschau"-Fanfare von heute. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus der "Hammond-Fantasie", die der Filmmusiker Hans Carste in sowjetischer Kriegsgefangenschaft schrieb. Der Jazzklarinettist Rolf Kühn arrangierte die Melodie und ließ sie für die "Tagesschau" von einem Rundfunkorchester einspielen.

Bis 1970 waren vor Beginn der eigentlichen Fanfare noch ein paar Töne auf der Hammondorgel zu hören, die fast ein wenig improvisiert klangen. Noch weitaus absonderlicher wirkt aus heutiger Sicht die Version von 1994, als man es für eine gute Idee hielt, die sechs Töne der Fanfare mit einem leichten Disco-Beat zu unterlegen.

Trotz solcher Kapriolen ist der Umgang der ARD mit der "Tagesschau"-Melodie geradezu vorbildlich. In Zeiten, da Begriffe wie Soundlogo und Jingle noch gar nicht erfunden waren und niemand wissen konnte, wie wichtig ein einmal definierter Klang für den Wiedererkennungswert einer Marke oder Sendung ist, hielt das Erste konsequent an der "Tagesschau"-Fanfare fest.

Nicht überall im Senderverbund war man so weitsichtig. Die Erkennungsmelodie der "Sportschau", das Stück "Topsy" des Komponisten Werner Müller, entsorgte der Sender nach einiger Zeit. 1987 schrieb dann Dieter Bohlen eine gänzlich neue Melodie. Auf die Qualität kam es dabei offenbar nicht an. Entscheidend war eher der Preis: Dem damaligen "Sportschau"-Chef Heribert Faßbender war nach eigenen Angaben Bohlen "sympathisch". Er wurde ihm "noch sympathischer", als er erfuhr, dass der Musiker kein Honorar verlangte.