Nach dem Ende der Bauarbeiten will sich das Museum für Völkerkunde in den kommenden Jahren neu erfinden. Stiftungsrat berät über Konzept.

Hamburg. Masken aus Melanesien, Schattenspielfiguren aus Java, Voodoo-Puppen aus Brasilien, Goldfiguren aus Peru, aber auch altägyptische Mumien, tibetische Gebetsmühlen oder indianische Pfeilspitzen sind in den Ausstellungsräumen, in ungleich größerer Zahl jedoch in den Depots und den Außenmagazinen des Museums für Völkerkunde zu finden. Insgesamt beherbergt das Museum etwa 180.000 ethnografische Objekte, dazu mehr als 400.000 historische Fotografien und etwa 100.000 Bücher und Dokumente aus allen Teilen der Welt. "Wir gehören zu den zehn bedeutendsten Völkerkundemuseen Europas, haben aber einen Etat wie ein deutsches Provinzmuseum", sagte Direktor Wulf Köpke gestern bei der Jahrespressekonferenz.

Kultursenator Reinhard Stuth widersprach nicht, sondern räumte ein, dass vergleichbare Museen finanziell weit besser ausgestattet seien als das Haus an der Rothenbaumchaussee, das jährlich Zuwendungen von rund 4,3 Millionen Euro aus dem Hamburger Haushalt erhält. Allerdings erinnert er daran, dass die Stadt in den vergangenen zehn Jahren 15 Millionen Euro in die bauliche Sanierung des 1912 eröffneten denkmalgeschützten Museumsgebäudes investiert hat.

Ein Jahr lang hat sich Köpke in Europa und der Welt umgesehen, hat verglichen, wie sich andere Museen präsentieren, und anschließend ein Konzept erarbeitet, mit dem das Hamburger Völkerkundemuseum sich neu erfinden will. Am 3. März wird der Stiftungsrat über dieses bislang noch unveröffentlichte Unternehmenskonzept beraten, anschließend könnten die Weichen neu gestellt werden.

Die Chancen dafür stehen auch deshalb nicht schlecht, weil mit dem Abschluss der Bauarbeiten jetzt erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten wieder alle Abteilungen geöffnet sind und mit Ausstellungen bespielt werden können.

Sich neu zu erfinden, heißt nach Ansicht von Wulf Köpke allerdings nicht, dass künftig alles anders gemacht werden müsse. Auf einem Gebiet ist Hamburg schon heute europaweit die Nummer eins: Kein anderes Völkerkundemuseum hat es geschafft, sich in so starkem Maß für Migranten zu öffnen. "Portugiesen, Afrikaner, Lateinamerikaner oder Koreaner, die in Hamburg wohnen, erleben in unserem Haus ein Stück Heimat, in dem sie ihre Kultur pflegen und in Kontakt mit anderen Kulturen treten können", so Köpke und fügt hinzu: "Dank des 2010 geweihten Tempels ist das Museum außerdem zum spirituellen Zentrum aller in Europa lebenden Balinesen geworden."

Im vergangenen Jahr hat das Museum 115.000 Besucher gehabt, das ist im Vergleich zu anderen Völkerkundemuseen durchaus nicht schlecht, aber ein niedrigeres Ergebnis als in den Vorjahren. Der Grund dafür liegt einerseits an den umbaubedingten Schließungen ganzer Abteilungen, andererseits aber auch daran, dass das Haus aus Spargründen selbst attraktive Sonderausstellungen wie die noch bis zum 27. Februar laufende spektakuläre Schau mit indianischem Barock aus Ecuador kaum bewerben konnte.

Mehr Marketing, mehr Werbung, eine sinnlichere Präsentation, die "Entstaubung" und Neupräsentation weiterer Abteilungen und die stärkere Ausrichtung auf Familien und die sogenannten Best Ager gehören zu den Eckpunkten des neuen Konzepts, das allerdings auch Investitionen in die inhaltliche Infrastruktur des Hauses erfordert. Dazu gehören die Neugestaltung des Umfeldes mit einem "ethnologischen Spielplatz", aber auch die weitere wissenschaftliche Inventarisierung und sichere Magazinierung von Objekten. Ungefähr 17 Millionen Euro sind im Lauf der nächsten zehn Jahre dafür erforderlich, schätzte Köpke, der mit der Umsetzung des Konzepts allerdings auch die Erwartung an deutlich steigende Besucherzahlen knüpft. Das Potenzial bezifferte er auf jährlich 300 000. Voraussetzung sei jedoch, dass Hamburg Marketing die Museen endlich in die "Marke Hamburg" integrieren würde.

Das Programm dieses Jahres umfasst wiederum eine Fülle von Vorträgen, Festen, Thementagen, Märkten und Ausstellungen, die ein sehr differenziertes Publikum, darunter besonders die in Hamburg lebenden Migranten, ansprechen. Darüber hinaus wird es zwei größere Ausstellungsprojekte geben: Bereits am Wochenende startet "In deutschen Reihenhäusern - Familienleben in der Stadt", eine Schau, die einen ethnologischen Blick auf deutsche Befindlichkeiten wirft. Für November ist dann eine große, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Ausstellung mit dem Titel "Nomaden - 5000 Jahre brisante Beziehungen" geplant.