Hamburg. Es steht nicht gut um die katholische Kirche. Am Tag des Gastspiels von „Die zwei Päpste“ von Anthony McCarten wird ein desaströser Austrittsrekord von gut einer halben Million Mitglieder 2022 verkündet. Zu groß die Skandale um Bereicherung, Missbrauch und dessen Vertuschung. Auch McCartens Theaterstück handelt davon. Die Inszenierung vom Wolfgang Borchert Theater Münster ist im Rennen um den Monica Bleibtreu Preis in der Kategorie „(Zeitgenössisches) Drama“ bei den derzeit laufenden Privattheatertagen.
Theater Hamburg: Dagmar Berghoff bei den Privattheatertagen in Bergedorf
Und die Vorstellung lockt viele Besucher ins schöne neue LichtwarkTheater. Auch die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Dagmar Berghoff zieht es für das Münsteraner Gastspiel nach Bergedorf.
Die Inszenierung von René Heinersdorff konzentriert sich vor allem auf das Duell zweier – alter – Männer. Andreas Weißert ist als Papst Benedikt XVI. schon am Tag seiner Verkündigung wenig begeistert von der Aufgabe. Wichtiger als die Nöte der Schäfchen seiner großen Gemeinde sind dem als weltfremd geltenden Theologen die selbstverfassten Bücher. Seine selbst gewählte Einsamkeit teilt er nur gelegentlich mit einer Schwester, resolut gespielt von Ivana Langmajer, beim gemeinsamen „Kommissar Rex“-TV-Abend. All dies erzählt die Inszenierung zunächst etwas behäbig und betulich.
Theater Hamburg: Ein hitziger Papst-Dialog zwischen Fakten und Fiktion
Erst mit dem Auftritt eines zweiten Duos kommt Bewegung ins Geschehen. Jürgen Lorenzen gibt den Erzbischof Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires – heute bekannt als Papst Franziskus – leidenschaftlich und unkonventionell. Mit seiner von Rosana Cleve gespielten schwesterlichen Vertrauten legt der Fußball-Fan auch mal einen Tango hin.
Bei der Papstwahl landete er hinter Benedikt auf Platz zwei. Beider Ansichten stehen sich diametral gegenüber. Als Bergoglio um den Abschied in den Ruhestand bittet, erhält er plötzlich eine Einladung aus Rom – bei der sich herausstellt, dass Benedikt selbst amtsmüde ist und andere Pläne für ihn sieht.
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In einer aparten Mischung aus historisch überlieferten Fakten und Fiktion duellieren sich beide in einem hitzigen Dialog, in dem sie einander sogar ihre Sündenfälle offenbaren – nun leider weitgehend ohne die sehenswerten Schwestern.
Die Argumente vor allem Bergoglios, der eine Kirche im Wandel sieht, die sich nicht – wie Benedikt glaubt – dem Zeitgeist ergibt, wenn sie ihre Haltung zu Geschiedenen, Frauen und Homosexuellen überdenkt, sind leidlich bekannt. Hier werden sie von zwei schauspielerischen Schwergewichten verbal geschliffen noch einmal auf den Punkt gebracht.
Privattheatertage bis 9.7., diverse Spielstätten; www.privattheatertage.de
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