Hamburg. Souterrainwohnungen wirken häufig bedrückend: Man spürt, dass man sich unter Straßen-Level befindet, man erspäht die Füße der Passanten im Oberlicht, man hört dumpfe Alltagsgeräusche.
Claudia Isbarn hat das kleine Hoftheater in das Souterrain verwandelt, das praktisch der einzige Schauplatz in Frederick Knotts 1966 geschriebenem Broadway-Thriller „Warte, bis es dunkel ist“ ist: Wer Terence Youngs ein Jahr später veröffentlichte Verfilmung kennt, erkennt die enge Treppe zur Straße, den Tisch in der Zimmermitte, den Kühlschrank (der bei fortlaufender Handlung noch wichtig werden soll).
Bedrückende Atmosphäre im kleinen Hoftheater
Nur in Details wirkt die Ausstattung leicht aktualisiert: Was vor 53 Jahren die sparsam, aber geschmackvoll eingerichtete Wohnung eines jungen Paares war, atmet heute die nüchterne Gemütlichkeit eines schwedischen Möbelhauses. Ansonsten aber ist alles wie gehabt: bedrückend.
Die an die Kinovorlage angelehnte Ausstattung gibt den Ton für Claudia Isbarns Inszenierung vor: Einen eigenen Zugriff sucht diese Regie gar nicht, sie will einfach nur die nervenzerrende Spannung des Home-Invasion-Thrillers abrufen, in dem eine junge, blinde Frau von drei brutalen Verbrechern drangsaliert wird. Dass das trotz Kenntnis der Vorlage gelingt, liegt nicht zuletzt am Ensemble.
Viktoria Steiber, die man unter anderem aus der Radikaltheater-Produktion „Das halbe Leid“ am Schauspielhaus kennt, stattet die Hauptfigur mit interessanter Brüchigkeit aus. Ihre blinde Suzy ist kein einfaches Opfer, sondern eine verletzbare Heldin, die ihrem von Audrey Hepburn gespielten Kinovorbild bezüglich Gänsehautmomenten in nichts nachsteht.
Alles andere als ein Schmunzelkrimi
Im Vergleich zu Steibers beeindruckender Performance wirken die Nebenfiguren zunächst mit grobem Strich gezeichnet: Janina Beier ist als Nachbarstochter Gloria ein wenig zu pubertär, Lars Klatt übertreibt es als Bösewicht-Dumpfbacke Carlino mit dem Stottern, und Ulf Albrecht agiert als Gangsterboss Roat ein bisschen zu augenrollend brutal.
Aber Vorsicht: Was man hier als Ungenauigkeiten in der Figurenzeichnung missverstehen könnte, ist in Wahrheit komödiantisches Spiel, das die sich langsam steigernde Bedrohung hinterhältig verdeckt – bis die Gewalteskalation den Zuschauer gegen Ende gnadenlos erwischt.
Denn „Warte, bis es dunkel ist“ ist auch im kleinen Hoftheater mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung kein netter Schmunzelkrimi, sondern ein knallharter Thriller. Mithin bedrückend.
„Warte, bis es dunkel ist“ bis 9.2., jeweils Fr und Sa je 19.30, So 16.00, Das kleine Hoftheater, Bei der Martinskirche 2, Karten zu 22,-/erm. 20,- unter T. 69 15 72, www.hoftheater.de
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