Selten aufgeführt, fesselt “Les Enfants Terribles“ von Philip Glass als Hybrid zwischen Oper und Tanz. Die musikalische Leitung übernimmt Leon Gurvitch.

Die Verwirrung ist groß. Und macht erst richtig neugierig. Einmal wird die Tanzoper "Les Enfants Terrible" in Ankündigungen als Ballett bezeichnet, dann wieder als Musiktheater. Es ist beides, im Sinn von Tanz und Oper, stellt die Regisseurin Kerstin Steeb klar. Sie ist vom genreübergreifenden Charakter des selten aufgeführten Werks für Stimmen, Tänzer und drei Klaviere fasziniert. Aber auch von der ambivalenten, inzestuösen Geschwisterliebe zwischen Elisabeth und Paul, den "Les Enfants Terribles".

Glass, die Galionsfigur der Minimal Music, hat die 1996 uraufgeführte Tanzoper nach Jean Cocteaus gleichnamiger französischsprachiger Erzählung komponiert. Mit ihr beschloss er - nach "Orphée" (1991) und "La Belle et La Bête" (1994) - seine Cocteau-Trilogie, die er als Hommage an den französischen Autor, Regisseur und Zeichner verstand. In Steebs Abschlussinszenierung und Margarethe Masts Ausstattung hat "Les Enfants Terribles" am 8. Dezember Premiere im Forum der Musikhochschule: mit vier Sängern, drei Pianistinnen und zwei Tänzern. Die musikalische Leitung übernimmt Leon Gurvitch.

Die Geschwister befinden sich auf der Schwelle zwischen Kindheit und Adoleszenz. "Elisabeth und Paul streiten sich noch darüber, wer zuerst von ihnen baden dürfe, dann landen sie beide nackig in der Badewanne", gibt die Regisseurin ein Beispiel. "Anders als bei kleinen Kindern ist das in ihrem Alter nicht mehr so unverfänglich." Elisabeth (Luise Hansen) und Paul (Andreas Heinemeyer) leben ihn ihrer eigenen Welt. Sie schotten sich von der Realität ab und flüchten sich in die Vertrautheit ihrer Zweisamkeit. "Sie haben ihre Rituale und Spielregeln und benutzen eine Geheimsprache." In assoziativen oder flüchtigen Bildern möchte Steeb diese eigene Welt aus kindlichem Blick verstärken. "Denn nicht die Beziehungen zu den anderen Figuren, den Freunden Gérard oder Agathe, sind das Problem, sondern ihre enge Bindung, aus der sie sich nicht lösen und auch nicht erwachsen werden wollen."

Ein Hauptproblem für die 30 Jahre alte Regisseurin ist die Frage, wie sie mit dem Tanz umgehen soll. Susan Marshals Choreografie der Uraufführung ist nicht erhalten geblieben. "Der Tanz ist also eine Art Rätsel, bietet mir aber andererseits auch eine große Freiheit. Glass ist auch sehr locker mit der Partitur verfahren und hat Passagen und Szenen verändert oder umgestellt." Steeb ist keine gelernte Choreografin. Sie hat jedoch Sport studiert und eine Beziehung zu Bewegung, Körper und Rhythmus. Das junge Tänzerpaar - Signe Koefoed und Jascha Viestädt - soll nicht Spiegelbild der Geschwister sein oder deren Gefühle illustrieren, sondern vielmehr eine Gegenwelt erschaffen. "Elisabeth und Paul leben ja in ihrer Fantasie. Das möchte ich noch verstärken."

Steeb reizt nicht nur das Tabu-Thema Inzest, sondern auch die Musik. "Ich empfinde sie alles andere als minimalistisch, sie ist durch die Wiederholungen sehr kompliziert und fesselt durch ihren Rhythmus." Über seine Tanzoper hat Philip Glass gesagt: "Hier steht die Zeit still. Es gibt nur die Musik und die Bewegung der Kinder durch den Raum."

Les Enfants Terribles ab 8.12., 20.00, Forum. Karten unter T. 44 02 98 oder 45 33 26