Das Drama von Toke Constantin Hebbeln ist großartig gespielt und sensibel inszeniert. Großes deutsch-deutsches Kino in düsteren Bildern.

"Wir wollten aufs Meer" - bereits der Filmtitel gibt Auskunft über Hoffnungen und Sehnsüchte seiner Figuren und - der Vergangenheitsform wegen - über ihre geplatzten Träume, ihre Enttäuschung und ihre Wehmut. Wir befinden uns in der DDR des Jahres 1982, die Wiedervereinigung ist noch in weiter Ferne. Rostock, der einzige Überseehafen Ostdeutschlands, gilt vielen jungen Männern als Fluchtpunkt, von dem man aus als Matrose die Welt erkunden kann. Auch die engen Freunde Cornelis (Alexander Fehling) und Andreas (August Diehl) sind dem Lockruf gefolgt. Doch erst einmal heuern sie als Hafenarbeiter an.

Drei Jahre später. Die Freunde malochen noch immer in den Docks, und man ahnt auch, warum: Wer nicht absolut regimetreu ist und gelegentlich der Stasi zuarbeitet - den lässt die DDR auf kein Handelsschiff. Da bietet sich die Möglichkeit, den Vorgesetzten Matze (Ronald Zehfeld) seiner Fluchtpläne wegen auszuhorchen und im richtigen Moment zu verraten. Andreas ist begeistert - endlich kann er Matrose werden. Doch Cornelis kriegt Gewissensbisse und macht einen Rückzieher, nicht ahnend, welch gewaltigen Keil er damit zwischen sich und Andreas treibt.

Das ist erst der Anfang eines Films, der noch mehrere Geschichten erzählt, von einer unmöglichen Liebe zum Beispiel, von Widersachern, die sich im Gefängnis wiedertreffen, vom Freund, der nicht nur zum Stasioffizier mutiert, sondern auch im Hintergrund unerkannt die Strippen zieht, in einer Art und Weise, die fast die Ausmaße einer griechischen Tragödie annimmt.

"Wir wollten aufs Meer" ist nach dem publikumswirksamen "Das Leben der Anderen" und dem sehr viel verhalteneren, subtilen "Barbara" ein weiterer Film, der sich dezidiert mit der Stasi beschäftigt, einem Kraken, der in den letzten Winkel eines Lebens, ob privat oder beruflich, vordrang und dabei nicht nur Karrieren und Lebensträume zerstörte, sondern auch Freundschaften. Regiedebütant Toke Constantin Hebbeln verdeutlicht das mit dramatischer Wucht und scheut sich auch nicht vor Überzeichnungen. Warum etwa Andreas das Vertrauen seines Freundes so sehr missbraucht, ob aus Neid, Missgunst, Enttäuschung oder Rache - diese Leerstelle muss jeder Zuschauer selber füllen. Dabei kann sich Hebbeln auf drei exzellente Darsteller verlassen, die sich bezüglich Ausstrahlung und körperlicher Präsenz in nichts nachstehen.

Zusammen mit den düsteren Bildern, dem schmutzigen Licht und ständigen Regen, der grauen Patina jener DDR-Jahre und der detailgenauen Ausstattung entsteht so ganz großes Kino .

Bewertung: empfehlenswert

"Wir wollten aufs Meer" D 2011, 116 Min., ab 12 Jahren, R: Toke Constantin Hebbeln, D: Alexander Fehling, August Diehl, Ronald Zehrfeld, Rolf Hoppe, Phuong Thao Vu, täglich im Passage, Studio-Kino (außer Mo); Internet: www.wirwolltenaufsmeer.de