Hamburg. Kaum ein Thema beschäftigt die Deutschen mehr als die eine Million Flüchtlinge, die ins Land gekommen sind. Wie soll man mit ihnen umgehen? Und schaffen wir das wirklich? Zu mehr Humor rät die Integrations-Revue “Willkommen. Ein deutscher Abend“.

Schon die Begrüßung der Neuankömmlinge in der Turnhalle bereitet Probleme: "Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann, liebe Flüchtlinge....", will Charlotte Möller (Susanne Jansen), die Leiterin des "Privaten Flüchtlingsorganisationskomitees", ansetzen, da wird sie eifrig von Studentin Sandra unterbrochen.

"Das heißt nicht Flüchtlinge, sondern Geflüchtete. Die sind doch schon da, deshalb heißen sie Geflüchtete", raunt sie ihr zu. Ja, er ist nicht immer einfach, der Umgang mit den neuen Mitbürgern, das wissen auch die freiwilligen Helfer des Organisationskomitees. Frau Möller will in ihrem Dirndl Zuversicht verbreiten: "Sie sind das andere Gesicht Deutschlands", fährt sie engagiert fort und zitiert den Dichter Hölderlin: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!"

Die satirische Integrations-Revue "Willkommen. Ein deutscher Abend" von Franz Wittenbrink hat am Mittwochabend eine umjubelte Premiere im Hamburger St. Pauli Theater gefeiert. In dem knapp zweistündigen Liederabend erhalten Flüchtlinge, vertreten durch das Publikum, von sieben Schauspielern einen Schnellkurs in deutscher Kultur. Zu Wort kommen unter anderem ein Pfarrer (George Meyer-Goll), ein türkischer Installateur, eine Polizistin und eine Islamforscherin. Dabei gelingt es Wittenbrink, bekannt geworden mit Produktionen wie "Sekretärinnen" oder "Nacht-Tankstelle", politisch unkorrekt den Finger in die Wunde zu legen und sowohl nach rechts als auch nach links auszuteilen.

Mit deutschen Volksliedern wie "Froh zu sein bedarf es wenig" und "Kein schöner Land" über Richard Wagners "Meistersingerfinale" bis zum melancholischen "Die Gedanken sind frei" versuchen die Mitglieder des Organisationskomitees, den Flüchtlingen die deutsche Kultur näher zu bringen. Da wird deutsche Geschichte gestreift, Gründlichkeit und Ordnung anhand der Mülltrennung erläutert und der Kassenwart (Stephan Schad) beantwortet Fragen wie "Was bedeutet die Abkürzung CSU?" - um gleich zu ergänzen, dass sich diese Partei im Moment "weder besonders christlich noch sozial verhält". Auf der anderen Seite klären die "Islamistenpolka" und drei singende Burka-Trägerinnen auf.

Auch unbequeme Wahrheiten werden angesprochen (Textbeiträge von Horst Schroth, Sören Sieg, Ulrich Waller und dem Ensemble). So erzählt der türkischstämmige Installateur Ekmek (Rainer Piwek), dass er gern einen syrischen Flüchtling eingestellt hätte, dieser aber zu unzuverlässig gewesen sei. Auch der deutsche Kandidat habe zu viele Ansprüche gehabt, "da hab' ich den Polen eingestellt". Und die Polizistin (Victoria Fleer) spricht von dem schwierigen Umgang mit drei Nordafrikanern, die ihr mit Kommentaren wie "Eh Alte, verpiss' Dich. Mit 'ner Frau rede ich überhaupt nicht" wenig Respekt entgegenbrächten.

Die Islamforscherin (Anne Weber) lobt die Araber zunächst als "Fahnenträger der Aufklärung". Als sie jedoch erklärt, dass sie nicht versteht, warum junge muslimische Männer einer Frau nicht die Hand geben, wird ihr sogleich unterstellt, eine AfD-Sympathisantin zu sein. "Genau darum geht es", hatte Wittenbrink zuvor in einem Interview erklärt: "Wir behandeln Themen, die umstritten sind. Wir geben keine Antworten, sondern sagen nur: Darüber muss man reden. Theater soll die richtigen Fragen aufwerfen und Debatten entzünden. Es ist nicht seine Aufgabe, eine Lösung zu zeigen."