Hamburg. Knapp daneben ist leider auch vorbei? Nicht unbedingt und sicher nicht in diesem Fall: Fast wäre Sven Schelker, zweitjüngstes Ensemble-Mitglied am Thalia Theater und bislang eher in Nebenrollen aufgefallen, jetzt auf dem Weg nach Hollywood. Fast hätte er, der in seinem Leben überhaupt erst einen einzigen Kinofilm gedreht hat, sich einen Smoking aus dem Hamburger Theaterfundus leihen und bei der Oscar-Verleihung über den roten Teppich schlendern dürfen. Fast.
Denn der Film „Der Kreis“, in dem er einen Travestiekünstler spielt, ist von der Schweiz als bester Auslandsfilm eingereicht worden. Unter die letzten Fünf jedoch hat er es dann doch nicht geschafft. Weshalb Sven Schelker, 1989 in Basel geboren und vom Thalia Theater noch während der Schauspielausbildung von der renommierten Otto-Falckenberg-Schule wegengagiert, nun auch an diesem Wochenende Theater spielt und sich die Verleihung vermutlich nicht einmal im Fernsehen ansehen kann – er ist zur selben Zeit auf eine Geburtstagsparty eingeladen.
Ein Gewinner ist der junge Schauspieler trotzdem. „Es ist alles ein bisschen surreal“, gibt Schelker zu. Seine Darstellung in „Der Kreis“ hat dafür gesorgt, dass er zur Berlinale als „European Shooting Star“ reisen durfte, dort Interviews in diversen Sprachen gegeben hat und mit internationalen Casting-Agenten zusammen gebracht wurde. „Das war wie ein Rausch, das alles kannte ich doch bisher selbst nur aus den Medien!“ Ein „geballtes Erlebnis“ sei die Berlinale gewesen, für die Oscar-Verleihung habe er sich, sagt Schelker, gar nicht ernsthaft Hoffnungen gemacht: „Das wäre die Zugabe gewesen, aber schon die Nominierung durch die Schweiz ist doch eine Riesenehre. Schließlich komme ich ursprünglich von der Bühne.“
Im Sommer steht Sven Schelker für den nächsten Kinofilm vor der Kamera
Mehr als ein Dutzend Produktionen hat Sven Schelker in den letzten zweieinhalb Jahren am Thalia gespielt, im Weihnachtsmärchen „Geisterritter“ seine erste Hauptrolle, in „Romeo und Julia“ den Paris, er war besetzt in „Räuberhände“, „Rum und Wodka“, „Gertrud“. Er verspüre immer noch Ehrfurcht vor dem Ensemble, sagt er. Anfangs sei das eine „fast überfordernde Situation“ gewesen. „Aber die Kollegen haben mich von Beginn an wahnsinnig toll aufgenommen.“ Mit seinem Intendanten Joachim Lux ist er im Gespräch über die Rollen, die er spielt und gern spielen würde: „Je komplexer und widersprüchlicher, desto besser.“
Seine nächsten Proben am Thalia Theater (zu Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“) leitet das estnische Regie-Duo Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper, Premiere ist am 30. April. Und im Sommer wird Sven Schelker wieder vor der Kamera stehen – für seinen nächsten Schweizer Kinofilm. Schelker ist jemand, den man als Zuschauer im Auge behalten sollte. Auch wenn es mit der Oscar-Verleihung diesmal nicht geklappt hat.
Knapp daneben ist nämlich nicht immer vorbei – es kann auch ein Anfang sein.
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