Gerhard Polt und die Biermösl Blosn bieten böse-brillantes Musikkabarett im St.-Pauli-Theater. Ungewohnt: Polt tanzt, singt und lacht.

Hamburg. Da wo die Sorgen wohnen, die Ängste der Menschen, da kennt Gerhard Polt sich aus. Die großen politischen Themen und Skandale sind seine Sache nicht. Vielmehr versteht er es, hineinzuleuchten in die dunklen, die engen Kanäle, in denen ebenjene politischen Entscheidungen im Schlick des Alltags versickern. Und so die Menschen und ihr Denken prägen.

Es sind Kleinode kabarettistischer Kunst, die Gerhard Polt, Bayer des Jahrgangs 1942, daraus destilliert. Ob nun in einem Soloprogramm oder in kongenialem Zusammenspiel mit den famosen Musikanten Christoph, Hans und Michael Well, den Biermösl Blosn, wie jetzt im St.-Pauli-Theater - brillant ist das allemal, und das immer wieder aufs Neue.

Grimmig die Miene, derb das Schuhwerk, in Wams und Breitcordhose gekleidet - so sitzt er da auf seinem Stuhl, der Herr Polt, während neben ihm die Biermösl Blosn ihre zahlreichen Instrumente bedienen. Heraus kommt, was hier kein Widerspruch ist, virtuose Bierzeltmusik, in die jazzige, klassische und folkloristische Implantate eingelagert sind, unterfüttert mit satirisch das weltliche Geschehen kommentierenden Texten.

Ja, das weltliche Geschehen, vor allem das im eigenen Dorf, treibt Polt die Zornesröte ins Gesicht. Es sind vor allem "die Leut'", über die er sich mit heiligem Zorn ereifert. Als "Automobilist" etwa, jener Kraftfahrer aus Leidenschaft, der gegen die "apokalyptischen Radlfahrer" geifert. Als Vorsteher des Fischereiverbandes, der den Kormoranen die Flugrechte über dem Chiemsee entziehen will. Nur so seien schließlich die Massaker unter der heimischen Fischwelt zu verhindern, Blutbäder, bei denen die Welt tatenlos zuschaue. Afghanistan? Nichts dagegen.

Und als schlichter Bootsverleiher, der nicht belästigt werden möchte mit Fragen, wie es ihm denn so gehe. Schließlich interessiere ihn auch nicht, wie es den anderen geht. Den Bootsverleiher lässt Polt anheben zu einer philosophischen Groteske über all jene Leut', die immer Zeit sparen wollten, dabei gebe er sie doch, soweit er sie habe, einfach nur aus. Ein stoischer Mensch, urkomisch und ganz bei sich, so wie Polt es liebt.

Gerhard Polts Porträts sind punktgenau, mal böse, mal mit durchscheinender Empathie. Er lässt die Figuren beben vor Wut, schreien, spotten, lässt sie sich fast entäußern, bevor sie sich doch zurückziehen in ihre eigene Welt. So ist jede ganz für sich.

Drei pralle Stunden Kabarett und Blasmusik. Ein Schuhplattler der drei Blosn-Brüder obendrauf, eine Komposition für drei Alphörner noch, zu der Polt muht und meckert, dass es eine lautmalerisch geniale Gaudi ist. Und eine Art afro-bajuwarische Polka zum Finale. Polt singt, tiriliert, jauchzt dazu à la Miriam Makeba. Und er tanzt. Ja, Polt tanzt, fröhlich, lachend. Das sah man wohl noch nie. Unvergesslich.