Der frühere Intendant des Deutschen Schauspielhauses, Michael Bogdanov, wohnt jetzt in Ottensen und inszeniert an den Kammerspielen.

Hamburg. Männer allein auf der Insel. Nichts zu essen, nichts zu trinken. Auch kein Dach überm Kopf. Da ist Kameradschaft bald vergessen. Sie werden zu Tigern und gehen sich an die Gurgel. Michael Bogdanov inszeniert an den Kammerspielen "Vier Männer im Nebel" von Tim Firth. Der durch den Film und die Bühnenversion "Calendar Girls" international bekannt gewordene walisische Dramatiker und Drehbuchautor lässt in dem komischen Horrortrip die Herren aus dem mittleren Management auf einer Insel in der nordenglischen Seenlandschaft stranden. Im Hamburger Boot sitzen Stephan Benson, Roland Renner, Peter Theiss und Jens Wawrczeck. Premiere ist am 15. Januar.

Eine lange und enge Bindung pflegt der frühere Schauspielhaus-Intendant (1989-1991) und international arbeitende Theatermann Bogdanov zu Hamburg. 1986 gab er in der Zadek-Ära mit "Julius Cäsar" sein Schauspielhaus-Debüt, hat hier seine zweite Frau kennengelernt. 2000 heiratete der Waliser die Hamburgerin Ulrike Engelbrecht und zog im letzten August mit der Familie aus Cardiff in seine Ottenser Wohnung. "Die habe ich schon seit acht Jahren", erzählt Bogdanov. "Da ich hier und in Deutschland viel arbeite, sind wir nach einem glücklichen Probewohnjahr mit den beiden Kindern hier in Hamburg angekommen."

Auch nach dem überstürzten Ausstieg aus dem Intendantenamt 1991 blieb Bogdanov Hamburg treu. "Ich bin nicht böse", sagt er im Rückblick. "Der Aufsichtsrat, die Schauspieler und das Publikum haben mich doch bis zuletzt unterstützt." Bei der Kritik zwar umstritten, hatte Bogdanov aber unbestreitbar Rekorde bei Einnahmen und Zuschauerzahlen erzielt. Eine theaterreife Brief-Intrige wie aus einem Schiller-Drama provozierte den Eklat. Ein Privatschreiben an den damaligen Kultursenator Ingo von Münch wurde einem "Spiegel"-Redakteur zugespielt und zum Skandal aufgebauscht. "Von Münch wollte mich nicht haben und mein Fell war damals nicht dick genug", resümiert Bogdanov.

Schwamm drüber, Tempi passati. "Ich liebe das Schauspielhaus, es ist ein wunderschönes Theater und ich war dort sehr glücklich." Der erfahrene Direktor der English Shakespeare Company und Wales Theatre Company sieht dort keine Strukturprobleme. "Mit Stücken für Minoritäten bekommt man allerdings ein 1200-Plätze-Haus nicht voll. Von Peter Hall an der Royal Shakespeare Company habe ich gelernt, dass es auf die totale Mischung im Repertoire ankommt."

Unterhaltungstheater habe er geboten, lautete ein Vorwurf der Kritik. "Darunter verstehe ich Schwank und Musical, was ich auch einmal gemacht habe. Aber ich inszeniere nicht für bestimmte Leute, sondern für die Zuschauer." Was sie und die Schauspieler ihm auch dankten und danken. Das Schauspielhaus habe ein Publikum von etwa 50 000 Besuchern. "Ein Stück 50-mal mit dem Schnitt von 1000 Zuschauern aufzuführen, das ist ein Hit." Ist Bogdanov fünfmal gelungen.

"Ich bin, wie ich bin", sagt er. "Ich arbeite eben so, wie ich es kann." Wie Bogdanov zu sich steht, so hält er es auch mit Hamburg. 1993 gastierte er wieder mit der English National Company im CCH. Nach Abstechern in Köln, München und der Wiener Burg inszenierte er 1999 im Altonaer Theater seinen Regiehit "Reineke Fuchs", arbeitet seit 2004 regelmäßig an den Kammerspielen. Für "Warten auf Godot" erhielt er einen Rolf-Mares-Preis 2007 und brachte dem Haus drei weitere Erfolge: "Elling", "Frost/Nixon" und zuletzt "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm".

Theresia Walsers Theaterkomödie über eitle Nazi-Größen-Darsteller machte nicht nur dem Publikum, sondern auch ihm richtig Spaß. "Es war ein Traum: nur drei Schauspieler und ein Tisch", schwärmt Bogdanov, meistens beschäftigt mit Großproduktionen von Shakespeare-Dramen, Musicals und Opern zwischen Tokio und New York. "Da ging es einmal nicht um technische Probleme und groß angelegte Szenen, ich konnte mich auf den Text und die Feinheiten des Dialogs konzentrieren."

Bogdanov schätzt deutsche Schauspieler sehr. "Sie können alles", schwärmt der nun 72-jährige, doch jünger wirkende Regisseur. "Sie improvisieren viel und riskieren auch etwas bei den Proben, sie spielen mit Kopf und Bauch." Im Gegensatz zu den englischen Kollegen. "Sie arbeiten mehr vom Kopf und von der Sprache her, halten bis zuletzt das Textbuch in der Hand."

Eine Ausnahme seien irische oder walisische Schauspieler. "Die trinken zwar viel, aber sind ebenfalls großartig." Siehe Richard Burton, Peter O'Toole oder Anthony Hopkins. Wales bleibt Bogdanov auch verbunden: Zum 100. Geburtstag seines Lieblingsdichters Dylan Thomas ("Unter dem Milchwald") am 27. Oktober 2014 organisiert und inszeniert er in Swansea eine Hommage: ein Musical, eine 24-Stunden-Lesung mit Stars und prominenten Gästen (die früheren US-Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton sind eingeladen) sowie eine "Milchwald"-Aufführung mit "echten" Darstellern aus dem Originalschauplatz Laugham.

Aber natürlich wird Michael Bogdanov mit deutschen und "seinen" Hamburger Schauspielern weiterarbeiten. "Ich plane eine Produktion im St.-Pauli-Theater, bin auch mit dem Ohnsorg im Gespräch und werde dort in den nächsten zwei Spielzeiten inszenieren." Sein Traum allerdings wäre es, noch einmal im Haus gegenüber zu gastieren. "Ich bedauere es sehr, dass ich seit 20 Jahren im Schauspielhaus nicht mehr inszeniert habe."

"Vier Männer im Nebel" Premiere So 15.1., 19.00, Kammerspiele, Premiere ausverkauft, weitere Vorstellungen bis 5.2., Karten unter T. 0800/413 34 41; www.hamburger-kammerspiele.de