Turbulenter Spass im Ernst Deutsch Theater

Politiker beim Slapstick im Pyjama

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Klaus Witzeling

Das Wiedersehen von College-Studenten nach 25 Jahren macht Michael Frayn in "Verdammt lange her" zur sturzbesoffenen Posse.

Hamburg. Klassentreffen werden leicht zum Krampf. Man ist neugierig auf die alten Kumpel, will sich vor ihnen aufspielen, hat sich aber meistens nicht viel zu sagen und verfällt rasch in alte Animositäten. Vor 25 Jahren haben sich der Bildungspolitiker und der Chirurg (bullig: Volker Niederfahrenhorst), ein Pfarrer (schwer angeschwult: Frank Jordan) und Schreiberling „Tante Norman“ (Oliver Warsitz) gesehen und feiern nun im bestreikten alten College ein feuchtfröhliches Jahrgangstreffen. Unter ihnen auch der Außenseiter Snell (ulkig und durchgeknallt: Konstantin Graudus) und die alte Flamme und Kollegin der Kerle Rosemary – jetzt Lady Driver und Gattin des Rektors. Die kurzsichtige Dame spielt Leslie Malton. Zwischen Gefühl, versteckter Geilheit und vornehm Haltung-Wahren komisch hin und her gerissen, löst sie ein Versteck- und Verwirr-Spiel unter den angetrunkenen Männern aus, in dem sich der Politiker (brillant: Stephan Benson) schließlich beim Slapstick im Pyjama mit heruntergelassenen Hosen lächerlich macht.

Hat der erste Akt noch Züge eine Gesellschaftssatire über britisches Klassendenken und brökelndes Bildungswesen, kippt das Stück dann entschieden in die überdrehte Hetzjagd und Verkleidungsklamotte. Präzise getimt, mit klar gesetzten Pointen und genau gezeichneten Typen werden die überspitzten Situationen aber nie zum billigen Klamauk. Die Schauspieler nehmen die Figuren ernst, aus deren Verzweiflung entsteht die Situationskomik: Lady Driver beichtet eitel ohne Brille dem falschen Mann ihr Herzensgeheimnis, Snell will verpasste Jugendexzesse nachholen und der Unterstaatsekretär vor dem Zeitungsfritzen nicht seine Ministerkarriere aufs Spiel setzen. Ein stoischer Fels in den hoch schlagenden Komikwellen aus Panik bleibt das alte Faktotum Birkett – jeder Zoll ein Zerberus mit Melone: Heinz W. Krückeberg. Ein richtiger Spaß zum Fest, der unterhaltsam vor Auswüchsen beim Feiern warnt. Michael Frayn, der Meister der West End Farce, war aus London zur Premiere gekommen und applaudierte wie das amüsierte Publikum den Darstellern.

Verdammt lange her Vorstellungen bis zum 9. Januar im Ernst-Deutsch-Theater (U/Bus Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten unter T. 22 70 14 20.

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