Nicolas Stemann inszeniert “Die Kontrakte des Kaufmanns“ und “Nathan der Weise“ im Thalia-Theater

Nun also Lessing. Nicolas Stemann runzelt die Stirn und verhehlt nicht, dass er mit dem Autor ringt: "Bei 'Nathan der Weise' erwarten die Leute, auf langweilige Art belehrt zu werden. Ich möchte die Zuschauer auf eine energetische Art in Schwingung versetzen." Der Regisseur, der den Text von Schillers "Räubern" fulminant in einer Sprecherband zum Klingen brachte, richtet derzeit für den 3. Oktober am Thalia-Theater "Nathan der Weise" von 1779 ein.

Lessings Ideendrama bringt die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam in einer großen humanistischen Versöhnung zusammen. Der Jude Nathan erfährt, dass ein christlicher Tempelherr seine Pflegetochter Recha aus einem Brand gerettet hat. Als der muslimische Herrscher Sultan Saladin Nathan nach der "wahren Religion" fragt, erzählt dieser ihm die "Ringparabel" über die Gleichwertigkeit der monotheistischen Religionen. Am Ende stellen sich überraschende Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Beteiligten heraus.

"Die Utopie hat ihre Berechtigung. Aber da geht ganz viel nicht auf am Schluss." Damit meint Stemann die patriarchalische Bevormundung Rechas, den aufgeklärten Religionsbegriff, der in eine Lauheit mündet, und vor allem das Überwinden von Konflikten über endloses Verständnis einerseits - und die Existenz mörderischer Taten andererseits. Stemann hält es so: "Man muss die Welt so schlimm zeigen, wie sie ist, und noch schlimmer."

In dieser Situation kommt dem Regisseur die Autorin Elfriede Jelinek zu Hilfe. Mit "Abraumhalde" hat sie einen Subtext zu "Nathan" verfasst, ist gleichsam in den Keller seines Unbewussten gestiegen und bringt das Ungehörte, Verdrängte zur Sprache. Die Schauspieler sind lange Zeit ihrer Spielfreude beraubt. Auf der Bühne agieren stumme Figuren, der Text kommt aus dem Off. Das habe etwas von Minimal Music, so der Regisseur.

Am Vorabend hat die Jelinek-Wirtschaftskomödie "Die Kontrakte des Kaufmanns" Premiere im Thalia-Theater. Aus dem hochaktuellen Stück über österreichische Wirtschaftsskandale hat Stemann eine "Textumsetzungsinstallation" kreiert, bei der die Schauspieler große Teile improvisieren und sich der Text live aufbaut. Jede Aufführung beinhaltet ein Update mit neuen Jelinek-Texten. Die Kunst spielt derzeit in Stemanns Formsprache eine große Rolle, aber: "Es ist immer noch Theater."

Die Kontrakte des Kaufmanns und Nathan der Weise, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten jew. 11,- bis 52,-: T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de