Auch die Finanz- und Konsumkrise wird mit künstlerischer Freiheit thematisiert: Am 13. August beginnt das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel. Dessen Leiter Matthias von Hartz hat einige bekannte Namen, aber auch viele Newcomer der Szene nach Hamburg geholt.

Heiße Rasenspiele sind angesagt. Sogar Fußball - nur ohne Ball. Denn beim Sommerfestival auf Kampnagel geht es um die internationale Theater-Liga und nicht um Bundesliga-Kicker. Der italienische Performancekünstler Massimo Furlan spielt in seiner One-Man-Show "22. Juni 1974, 21 Uhr 03" den legendären "Klassenkampf" zwischen DDR und BRD noch einmal nach. Er imitiert 90 Minuten lang den "goldenen Torschützen" Jürgen Sparwasser und hat jede Geste, jede Bewegung genau wie einen Text einstudiert: vom Singen der Nationalhymne bis hin zum Torjubel. Der Alleingang fordert zwar vom Zuschauer die Fantasie eines bolzenden Helden im Kinderzimmer, der sich vorstellt, als Stürmer in der Nationalelf zu siegen. Aber er erhält auch ein Radio, mit dem er die Originalkommentare von damals hören und per Knopfdruck zwischen Ost- und West-Reportage wechseln kann. Im Millerntor-Stadion (23.8., 20 Uhr) "tanzt" Furlan ohne die 21 anderen Spieler auf dem Feld Sparwassers Wege nach: einer gegen alle.

Alle wie einen Mann lässt die französische Choreografin Mathilde Monnier in ihrem Stück "tempo 76" tanzen. Sie untersucht mit fünf Paaren das Prinzip des Synchron-Tanzes. Ein beliebtes Stilmittel bei Cheerleader-Paraden auf Sportplätzen oder in Unterhaltungsrevuen, ist Gleichzeitigkeit der Bewegung vor allem den deutschen Tanzkünstlern suspekt. Monnier, bekannt für ihre eher ernsthaften Stücke, überrascht in "tempo 76" (19. bis 21.8., jeweils 21 Uhr) mit fröhlichen Tänzen, die leichtfüßig zur Klaviermusik von György Ligeti über einen frischen Grasboden auf der Bühne fegen.

Scheinbar ausgelassen geben sich auch die Bewohner der Hölle in Emio Grecos "Hell", seiner durch Dantes "Inferno" inspirierten Choreografie. Sie eröffnen in glitzernder Chorusline und gleichem Takt mit einer infernalisch rasanten Show das Festival (13. bis 15.8., 21 Uhr): ein Tanz auf dem Vulkan unter dem sarkastischen Motto "How can we dance when the world is burning?" Auch der israelische Choreograf Ohad Naharin, bekannt für dynamische und visuell suggestive Tanzbilder, treibt mit seiner Batsheva Dance Company in "Max" (26. bis 28.8., 21 Uhr) den Tanz in körperliche Extreme: Bei der Erforschung von Emotionen und Grenzsituationen zwischen Kollektiv und Individuum.

Auch neue Namen präsentiert Matthias vom Hartz: Er hat Philippe Quesne, den Leiter des Pariser Performance-Kollektivs Vivarium Studio mit der surrealen Show "Melancholie des Drachens" (13. bis 16.8., jeweils 21 Uhr) eingeladen. Mitten im Sommer stecken rockermäßige Typen mit ihrer Karre im Kunstschnee fest und nützen die Panne für humorvoll fantastische Spielereien. Auch die Regisseurin Lola Arias, Shootingstar aus Argentinien, verknüpft in "Mi Vida después" (14. bis 16.8., 19.30 Uhr) Fiktion und Realität. Sie montiert aus authentischem Material, Briefen, Fotos und Filmen Lebensberichte zweier Generationen in sozial und politisch wechselnden Verhältnissen.

Die Finanz- und Konsumkrise thematisiert der Festivalleiter kritisch in einer Reihe von Projekten und wissenschaftlichen Vorträgen. Den Unsinn der "Abwrackprämie" kommentieren die Künstler Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit einer Produktionsstraße, in der sie Autos zu sinnvolleren Dingen - wie Fahrräder - umbauen. Reverend Billy, charismatischer Prediger gegen den Kapitalismus, feiert eine Messe gegen den Konsumwahn: "Stop Shopping" (14.8., 19.30 Uhr, Eintritt frei). Dass "Weltretter" nicht mehr in Jute und Holzschlappen agitieren müssen, beweisen Anne Juren und Kroot Juurak mit "Attitude", einem Mode-Event (21. und 22.8., jeweils 20.30 Uhr).

Das Rasengelände am Festival-Zentrum ist wieder sommerlich gestaltet: Pinkfarbene Wege im Grünen laden die Gäste zum Luftholen ein. Und wollen Sie selbst ein Tänzchen wagen: nur zu! Zwischen Tango und Salsa wählen (freitags und sonnabends ab 20 Uhr, Eintritt frei) - und dann den Profis die Show stehlen.

Internationales Sommerfestival 13.8-30.8., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten: T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de