Januar 1945. Rumänien ist mit Hitler-Deutschland verbündet. Die Rote Arme deportiert Angehörige der deutschsprachigen Minderheit, um die durch den Krieg zerstörte Sowjetunion wiederaufzubauen.

In ihrem neuen Roman "Atemschaukel", er steht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, erzählt die rumäniendeutsche Autorin Herta Müller von fünf grausamen Lagerjahren eines jungen Mannes aus Hermannstadt.

Leo Aubergs Vita weist auffällige Parallelen zu der des aus Siebenbürgen stammenden Schriftstellers und Georg-Büchner-Preisträgers Oskar Pastior (1927-2006) auf. Wie Pastior hat er sich danach gesehnt, sein nationalsozialistisch angehauchtes Elternhaus zu verlassen und in die Fremde auszubrechen. Leos Großmutter hat ihm einen Satz mit auf den Weg gegeben, der sich in sein Gehirn eingebrannt hat: "ICH WEISS, DU KOMMST WIEDER." Stets tauchen die Worte versal auf, schon optisch aus dem Text herausragend.

"Zu spät ins Lager zu kommen war schlimm. Dann war die Suppe alle. Dann hatte man nichts außer dieser großen leeren Nacht mit den Läusen." Solche Sätze mögen simpel klingen, aber sie sind von existenzieller Tiefe. Und die wenigen lyrischen Passagen wirken wie O-Töne von Oskar Pastior: "Schon Ende Oktober schneite es Eisnägel in den Regen."

Daheim hat man Leo offensichtlich aufgegeben. Nach fünf Jahren kehrt er heim - mit 22 Jahren ein Gezeichneter, ein Mensch ohne Jugend und unfähig, mit sich und seinen Erlebnissen Frieden zu schließen: "Fünfundzwanzig Jahre habe ich in Furcht gelebt, vor dem Staat und vor der Familie. Vor dem doppelten Absturz, dass der Staat mich als Verbrecher einsperrt und die Familie mich als Schande ausschließt."

Diesen Roman kann man geradezu körperlich fühlen. Die glasklare Sprache setzt handfeste Existenzängste frei. Mehr kann Literatur kaum leisten.

Herta Müller: Atemschaukel Roman. Carl Hanser Verlag, München 2009, 304 Seiten, 19,90 Euro