Hamburg. Ein Konzertsaal, der das Wetter hereinlässt, hat seinen eigenen Reiz. Es ist fast, als würde der sonnige Junimorgen mitspielen bei den Hamburger Symphonikern. Das Licht fällt durch die Glasdecke der Laeiszhalle, und irgendwie klingt das Konzert danach.
Das mag auch mit der naturnahen Tonsprache von Jean Sibelius zu tun haben. Unter der inspirierten Leitung des Esten Olari Elts entfaltet das Orchester in der Tondichtung „En Saga“ ein beeindruckendes Spektrum an Klangfarben, beginnend mit dem impressionistisch überhauchten, zarten Schleier der Geigen, die Elts effektvoll mit den erdigen, dissonanten Bläserakkorden kontrastiert.
Laeiszhalle: Ein Konzert wie ein strahlender Sommermorgen
Aber beim Tonmalerischen belässt es der Dirigent nicht. Mit den Musikern und Musikerinnen spürt er der Seelenwanderung nach, die Sibelius in so subtile Töne gefasst hat, er gibt gerade dem Geschehen in den tiefen Registern Raum und Atem. Es ist überhaupt viel Gemeinschaftlichkeit zu hören. Mögen sich die Streicher noch nicht restlos gefunden haben, mag auch das Schlagwerk bisweilen zu präsent sein, den Eindruck eines produktiven musikalischen Einvernehmens kann das nicht trüben.
Auch im Klavierkonzert von Grieg sind Elts und die Musiker dem Solisten Lucas Debargue allezeit ganz nah. Der junge Pianist ist ein Phänomen: Wo andere schon seit dem Vorschulalter viele Stunden täglich an den schwarzen und weißen Tasten zubringen (müssen), weil es sonst nach gängiger Auffassung für die Klavierkarriere niemals reichen kann, hatte Debargue in seiner Jugend die Freiheit, den Klavierdeckel auch mal zuzulassen oder die Richtung zu wechseln. Und gewann trotzdem den berühmten Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb. Seither gehört er zum Reisezirkus der international tätigen Pianisten, geht interpretatorisch aber trotzdem seine eigenen Wege.
Lucas Debargue meistert das vollgriffige Grieg-Konzert bravourös
Das vollgriffige Grieg-Konzert meistert er bravourös. Klanglich ist er aber oft auf der harten, direkten Seite, gerade in den höheren Lagen. Zu Beginn des langsamen Satzes rollen ihm Horn und Solocello gleichsam einen roten Teppich aus, aber seinem Pianissimo-Einsatz fehlt es an Magie. Später findet er zu gedeckteren Farben und spielt kammermusikalisch mit dem Orchester zusammen.
Seine Visitenkarte gibt er mit der Zugabe ab, einem Satz von Scarlatti. In dessen eigenwilliger Musik ist Debargue hörbar zu Hause, er artikuliert klar und zeigt das Ungeheuerliche an den jähen Szenen- und Lichtwechseln.
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Zu dem heiteren Sonntagmorgen passt Elts’ Lesart der dritten Sinfonie von Brahms. So komplex die Komposition angelegt ist, zu Gehör gelangt das Lyrische an ihr. Brahms haben Hamburger Orchester natürlich in der DNA, und die Gäste vom Philharmonischen Staatsorchester am Konzertmeister- und ersten Cellopult tun der Kohärenz der Gruppen gut. Die hochliegenden Gesangslinien der Geigen leuchten warm, die Übergänge wirken organisch. Die junge Solohornistin Lucie Krysatis adelt zahlreiche Stellen, ganz besonders aber die Wiederkehr des Themas im dritten Satz.
Was für ein helles, gelungenes Konzert am Sonntagmorgen.
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