Hamburg. David Garrett ehrt die großen Geiger des goldenen Zeitalters und spielt Bearbeitungen für Violine und Gitarre. So ist das Programm „Iconic“ angekündigt. Klingt beinahe nach Kammermusik, also nach klassischem Fach. Interessant, David Garrett mal abseits seines Pop-Repertoires zu erleben. Und dann in der Laeiszhalle, dem Ort, an dem er einst als Steppke mit dem Philharmonischen Staatsorchester unter Gerd Albrecht solistisch aufgetreten ist. Pablo Sarasates „Zigeunerweisen“ hat er damals gespielt. Das passt. Denn eins ist klar: Der Mann kann Geige spielen, je schneller, desto besser.
Aber zurück ins Frühjahr 2023. „Iconic“, das ist die Überraschung nach der Ankündigung, ist mit klassischen Maßstäben kaum zu erfassen. Die „Sicilienne“ von der Mozart-Zeitgenossin Maria Theresia von Paradis oder die berühmte „Melodie“ aus Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“ rauschen einfach so vorbei. Das hat mehrere Gründe.
David Garrett: Von seiner neuen Guarneri ist nur ein dumpfer Einheitston zu hören
So ist von Garretts neuer Guarneri, die er laut Programmheft seinen Fans erstmals präsentiert, nur ein dumpfer Einheitston zu hören, denn die Klangfarben und ungezählten Feinheiten, über die ein großes italienisches Streichinstrument verfügt, filtert die Verstärkung komplett heraus. Dann ist Garretts Phrasierung gelinde gesagt willkürlich – wo er es braucht, reißt er auch für unbetonte Notenwerte den ganzen Bogen über die Saite. Und Gitarre und Bass, geduldig gezupft von Franck van der Heijden und Rogier van Wegberg, liefern kaum mehr als einen gleichbleibenden Klangteppich ohne dynamische Differenzierungen. Es fehlt also auch hier die Binnengestaltung.
Dazu kommt noch, dass die Arrangements aus der Feder von Garrett und van der Heijden kaum je einen Dialog zwischen Geige und den beiden Zupfinstrumenten zulassen. Die Geige spielt die Melodie, die anderen begleiten, dazu werden nach Bedarf Streichersounds oder Atmo eingespielt: Das ist so einförmig, dass es sich sehr schnell erschöpft.
Laeiszhalle: Das Publikum durfte vorab Fragen an David Garrett einsenden
Zwischendurch werden Fragen verlesen, die das Publikum zuvor einsenden durfte. Garrett antwortet gut gelaunt und kenntnisreich, wobei natürlich immer einer der Held ist. Für Zweifel, Rückschläge, Scheitern ist kein Raum in diesem Universum. Schon gar nicht bei der 28. Vorstellung von „Iconic“, die hat schon einen Hauch von Routine. Und dann macht der Star es auch noch zum Running Gag, seinen Manager zu dissen.
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In seinem Element ist Garrett bei den virtuosen Nummern. Mozarts „Türkischen Marsch“ und das „Gewitter“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ fackelt er blitzsauber, mit tadelloser Bogenbeherrschung und Pokerface ab. In der zweiten Konzerthälfte dreht er noch weiter auf. An Nummern wie „Tico Tico“ oder „Furious“ aus der Feder van der Heijdens hat auch die Rezensentin Spaß. Mit Grigoraș Dinicus „Hora Staccato“ endet das Programm, dann gibt es noch eine – genau eine – Zugabe, bevor Garrett unmissverständlich winkend abtritt. Noch zwei Shows, dann hat er erst mal Urlaub.
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