Hamburg/Göttingen. Mit voller Wucht setzen die Orchester-Streicher ein: zackig der Rhythmus. Laut hallen die Schockklänge durch die Johanniskirche in Göttingen. Mit einem Oktavsprung stürzen alle in die Tiefe. Schlangenartig windet sich die Melodie wieder nach oben. Und dann! Der Chor im Pianissimo, leise auf einem spannungsreichen, dissonanten Akkord. Es geht um das wohl abgründigste Gefühl: „Eifersucht, infernalische Pest“ so der Text.
Dirigent George Petrou, künstlerischer Leiter der Händel-Festspiele Göttingen, dirigiert das Festspiel-Orchester und das NDR Vokalensemble mit berstender Spannung bei diesem zentralen Moment von Händels „Musical Drama“ „Hercules“, an Himmelfahrt die Eröffnung der diesjährigen Händel-Festspiele. Und mit eben diesem hochdramatischen Stück zwischen Oper und Oratorium wird das Festival am 22. Mai im Rahmen des Internationalen Musikfests im Großen Saal der Elbphilharmonie gastieren.
Händels „Hercules“: Bei den Festspielen gefeiert, jetzt in Hamburg
Dejanira, Hercules Ehefrau, dichtet ihrem Mann Untreue mit Iole an. Der Kriegsheld kam siegreich aus der Schlacht. „Im Gepäck“ die Gefangene Iole, die Tochter seines Feindes, den Hercules getötet hat. Erst freut sich Dejanira über die Rückkehr, aber dann steigert sie sich immer mehr in ihre Eifersucht. Dabei trauert Iole nur um ihren Vater und will auch nichts davon wissen, dass sich Hyllus, Hercules Sohn, in sie verliebt hat.
Das Schicksal schlägt zu. Dejanira will Hercules Liebe mit einem Zauberhemd zurückgewinnen. Der um sie werbende Zentaur Nessus hatte es ihr gegeben, wurde aber von Hercules getötet. Das Hemd war vergiftet. Hercules stirbt qualvoll. Dejanira erkennt ihren Irrtum und fällt in Wahn.
Mezzosopranistin Vivica Genaux begeistert als von Eifersucht zerfressener Frau
Die Mezzosopranistin Vivica Genaux singt die anspruchsvolle Szene mit viel Furor. Dejanira ist die eigentliche Hauptrolle. Genaux, viel gefeiert für ihre brillanten Koloraturen, stellt in den vielen Arien nachvollziehbar den Verfall dieser von Eifersucht zerfressenen Frau dar – als Teil eines exzellenten Sänger-Ensembles.
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Andreas Wolf leiht Hercules seinen kernigen Bassbariton, bei dem jugendlichen Liebhaber Hyllux ist es der Brite Nick Pritchard mit fein geführtem Tenor. Lena Sutor-Wernich sorgt als Bote Lichas, damals eine Kastratenrolle, mit ihrem satt-dunklen Alt für einige der eindrücklichsten Momente. Niemand aber singt so berührend wie die Sopranistin Anna Dennis als Iole. Sie verströmt mit ihrer warm und perfekt geführten Stimme ein unglaubliches Charisma.
Elbphilharmonie: Händels „Hercules“ kommt nach Hamburg
Das NDR Vokalensemble ist in der Rolle des kommentierenden Chores mit rundem ausdrucksstarken Klang von Klaas-Jan de Groot optimal vorbereitet. George Petrou kristallisiert mit dem Festspielorchester Göttingen souverän die dramatischen Momente heraus, minimale Ungenauigkeiten wegen recht zügiger Tempi ausgenommen. Das lässt den Abstecher des Festivals in die Elbphilharmonie mit Spannung erwarten.
„Hercules“ Mo 22.5., 19 Uhr, Elbphilharmonie (Großer Saal), Karten unter elbphilharmonie.de
Händel-Festspiele Göttingen noch bis 29.5.; www.haendel-festspiele.de
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