Berlin. Den größten Andrang, und das ist unbedingt eine gute Nachricht, gibt es nicht am Büfett. Zwar ist das mit leckeren Sandwiches und verführerisch duftenden Kuchenstückchen sehr einladend, doch wer während der Berlinale zur Tea Time von Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und Hamburger Senat in die Landesvertretung an der Spree kommt, will nicht in erster Linie essen und trinken. Sondern reden.
Über Filme, bereits abgedrehte und geplante. Über das, was auf der Berlinale zu sehen war und noch zu sehen sein wird. Über die Lage der Kinos nach Corona und die Zukunft des Filmgeschäfts allgemein. Es gibt viel zu besprechen. Und, na klar, gesehen werden möchte man hier natürlich auch.
Unter den Gästen ist auch Regisseur Fatih Akin
Moin-Chef Helge Albers jedenfalls kann an diesem Sonnabendnachmittag hunderte Gäste begrüßen, darunter Regisseur Fatih Akin, der mit „Rheingold“-Hauptdarsteller Emilio Sakraya und vielen anderen Castmitgliedern seines Erfolgsfilms gekommen ist. Und weil Erfolge gern und immer wieder gefeiert werden, sind natürlich auch die „Mittagsstunde“-Goldjungs Lars Jessen und Charly Hübner da. Ebenso wie Detlev Buck, Pheline Roggan, Nina Petri, Idil Üner, Peter Lohmeyer, Michael Wittenborn, Aleksandar Jovanovic und Philipp Hochmair.
Gleich acht Moin-geförderte Filme werden auf der diesjährigen Berlinale gezeigt, darunter „Im toten Winkel“ von Ayse Polat, ein Mystery-Politthriller, der für die Deutsch-Türkin mit mehr als nur einem Koffer in Hamburg ein Comeback ist. Nach ihrem Erfolg vor 18 Jahren mit dem in Locarno preisgekrönten Drama „En Garde“, war im Kino nicht mehr viel von ihr zu sehen. Stattdessen machte sie Fernsehkarriere („Der Staatsanwalt“, „Tatort), nahm sich jetzt aber eine TV-Auszeit, um wieder für die große Leinwand zu arbeiten. „Ich bin froh, dass ich mir meine Projekte aussuchen kann“, sagt sie mit einem Lächeln – und verschwindet zum nächsten Fototermin mit ihrem Darstellerteam, zum dem auch die siebenjährige Çagla Yurga gehört.
Kultursenator Carsten Brosda muss krankheitsbedingt kurzfristig absagen
Der Empfang in der Landesvertretung ist einer der wichtigsten Termine des Jahres für die norddeutsche Filmbranche, geschlagen wohl nur noch von der Eröffnungssause des Filmfests Hamburg im Herbst. Natürlich ist dessen Leiter Albert Wiederspiel auch in Berlin dabei. Nicht um Filme zu gucken („Wir zeigen ja ohnehin nichts, was schon auf der Berlinale gelaufen ist“), sondern um Kontakte aufzufrischen oder überhaupt erst einmal zu knüpfen.
Wer an diesem regnerisch-grauen Februartag nicht nach Berlin kommt, der hat einen guten Grund. So wie Kultursenator Carsten Brosda, der krankheitsbedingt kurzfristig absagen muss, aber immerhin noch schriftlich ein kurzes Statement zur Lage abgeben kann. „Endlich gibt es wieder viel Zeit und Raum für gemeinsame Filmerlebnisse und ein richtiges Festivalgefühl im Rahmen der Berlinale“, heißt es da. Und: „Die letzten Jahre haben viel verändert. Mit einem vielfältigen Programm begeistert die Branche das Publikum wieder neu für das einzigartige Kino-Erlebnis. Zugleich zeigt das Programm, dass uns der Film gerade in dieser Zeit viel zu sagen hat und in der Lage ist, laut und vernehmlich für eine bessere Welt Position zu beziehen.“
- Harry Potter feiert erneut Premiere – diese Stars sind dabei
- Elbphilharmonie: Um Maurice Ravel betteln, Chopin bekommen
- Alela Diane in Hamburg: Mit dem Support der Schulfreundin
Ein wichtiger Punkt auch für Helge Albers, der bei seiner kurzen Rede nicht nur die acht norddeutschen Beiträge vorstellt , stolz auf den Erfolg des Grünen Drehpasses verweist und die Pläne für ein Hamburger Kino-Abo lobt, sondern auch an die Filmschaffenden erinnert, die wegen ihrer Arbeit staatlich verfolgt werden, darunter die türkische Produzentin Çiğdem Mater und der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof. Für sie gibt es langen Beifall von den Anwesenden.
Irgendwann ist es dann, allen guten Gesprächen und leckeren Häppchen zum Trotz, Zeit für den Aufbruch. Schließlich wollen in den Festivalkinos ja jede Menge Filme gesehen werden. Etwa der Wettbewerbsbeitrag „Manodrome“ von Regisseur John Trengove über einen Uber-Fahrer und Bodybuilder (Jesse Eisenberg), den Geldsorgen belasten und der Probleme mit seiner schwangeren Freundin hat. Als er Bekanntschaft mit dem Anführer eines frauenfeindlichen Männlichkeitskults (Adrien Brody) macht, verliert er langsam aber sicher den Bezug zur Realität.
Großes Interesse: Boris Becker stellt Dokumentation „Boom! Boom!" vor
Besonderes Medieninteresse zieht erwartungsgemäß am Sonntag die Pressekonferenz von Boris Becker auf sich, der gekommen ist, um den ersten von zwei Teilen der Dokumentation „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ (Regie: Alex Gibney) zu bewerben. Eine „Herzenssache“ sei das Projekt für in gewesen, so Becker, der vor zwei Monaten aus britischer Haft entlassen wurde. „Es war ein Privileg und eine Herausforderung, den Film zu machen.“ Ein Film, der zeige, dass „das Leben als eine gewinnende Tennismaschine ist viel härter als es aussieht“. Man müsse immer funktionieren. Es sei unmöglich, als Tennisprofi ein normales Leben zu führen, so der 55-Jährige auf seiner Pressekonferenz.
Stichwort Normalität: Die ist auf der Berlinale weitgehend wieder eingekehrt. Nicht nur beim Moin-Empfang, sondern auch bei den anderen Partys und Branchentreffen. Die Zeit des Abstands und der Zurückhaltung ist vorbei, und Schauspielerin Emilia Schüle fasst es so zusammen: „Alle sind besonders euphorisiert und glücklich, dass wir einfach endlich wieder hier sind.“
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live