Salzburg. Die Salzburger Festspiele zeigen in diesem Jahr eine Neuinszenierung von Mozarts Paradeoper “Don Giovanni“. Eine Wiederholung seines “Salome“-Coups gelang Regisseur Romeo Castellucci nicht.

Zuerst fällt ein Auto vom Himmel und landet mit Wumms auf dem Bühnenboden, dann folgen der Rollstuhl des Commendatore und ein Flügel, auf dessen zwei Bruchstücken Don Giovanni und sein Diener Leporello ein wenig herumklimpern.

Ein großer Fotokopierapparat schwebt sanft von oben ein, ohne in Stücke zu gehen. Leporello braucht das Gerät, um das beachtliche Damen-Eroberungs-Register seines Herrn zu vervielfältigen. Spektakuläre Details aus der Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen, die am Montagabend vom Premierenpublikum heftig umjubelt wurde, obwohl sie auch manche Leerstellen aufwies.

Maskenpflicht

Eigentlich war das Stück schon vergangenes Jahr zum 100. Jubiläum der Festspiele terminiert worden, doch Corona vereitelte das Projekt, zu dem Intendant Markus Hinterhäuser seine beiden künstlerischen Favoriten, den Dirigenten Teodor Currentzis und den Regisseur Romeo Castellucci, zusammengespannt hatte. Diesmal kam nichts dazwischen, die Reihen im Großen Festspielhaus waren voll besetzt, nur die Maskenpflicht galt wieder, seit im "Jedermann" ein (geimpfter) Besucher nachträglich positiv auf Corona getestet worden war. Die Einlasskontrollen waren streng.

Vor drei Jahren war Castellucci mit seiner Deutung von Richard Strauss' "Salome" ein großer Wurf gelungen, übrigens mit jener Asmik Grigorian in der Hauptrolle, die jetzt in Bayreuth als Senta in Richard Wagners "Der fliegende Holländer" gefeiert wurde. Eine Wiederholung seines Salzburger Theatercoups gelang Castellucci nicht, auch wenn der Einsatz an Mensch und Material beachtlich war, schließlich galt es, die Riesenbühne des Festspielhauses angemessen zu füllen. Jetzt verstand man auch, warum dieses Jahr, neben Wiederaufnahmen und Übernahmen, nur ganze zwei Opern-Neuinszenierungen auf dem Programm stehen. Für mehr dürfte der infolge Pandemie ausgedünnte Etat schlicht nicht ausgereicht haben.

Endloskette von Symbolen

Ein deutendes Regiekonzept im engeren Sinne verfolgte Castellucci nicht, obwohl die Figur des Mörders, Verführers und skrupellosen Lebemannes Don Giovanni seit Jahrhunderten Vorlage für immer neue Tiefenbohrungen in die Katarakte menschlicher Leidenschaften ist. Bei Castellucci ist das Publikum gefordert, "aus dem Inhalt die Lehr auszuspüren", wie es im Prolog des "Jedermann" heißt, und die Endloskette von Symbolen und Assoziationen des Regisseurs zu entschlüsseln. Für den zweiten Akt nach der Pause hatte Castellucci eine Hundertschaft Salzburgerinnen rekrutiert, die laut Programmheft den namenlosen Opfern aus Don Giovannis berühmt-berüchtigtem "Register" ein Gesicht geben sollten.

Das monumentale Einheitsbühnenbild stellte den Innenraum einer Barockkirche dar, die zu Anfang von italienisch parlierenden Arbeitern leergeräumt wird. Dann stolzierte ein lebendiger Ziegenbock (zwei Pudel und eine Ratte haben später auch noch ihren Auftritt) durch den leeren Kirchenraum, ein Akt der Entweihung, bevor Don Giovanni hier Einzug hält und die Geschichte bis zu seiner finalen Höllenfahrt, einer der effektvollsten Kompositionen Mozarts, ihren Lauf nimmt.

Stimmlich blass

Leider war Salzburg-Debütant Davide Luciano ein allzu harmloser Don Giovanni, mehr italienischer Durchschnitts-Strizzi als Monster, und wirkte auch stimmlich recht blass, während die Russin Nadezhda Pavlova als Donna Anna zu Recht gefeiert wurde. Selten übrigens hatte man einen so langsamen "Don Giovanni" gehört wie an diesem Abend. Currentzis ließ sein Ensemble musicAeterna, bestehend aus Orchester und Chor, zwar differenziert und klangschön aufspielen, doch schien vom einstigen jungen Wilden der Klassikszene an diesem Abend nicht viel mehr übrig geblieben zu sein als seine obligatorischen Springerstiefel.

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