Museen

Museum für Kunst und Gewerbe: Hier geht’s ums (Über)Leben!

| Lesedauer: 5 Minuten
Vera Fengler
Ausstellungsansicht von „Life On Planet Orsimanirana“im Museum für Kunst und Gewerbe.

Ausstellungsansicht von „Life On Planet Orsimanirana“im Museum für Kunst und Gewerbe.

Foto: MK&G/Henning Rogge

Das Museum ruft in seinen aktuellen Ausstellungen dazu auf, die Umwelt für die Zukunft mitzugestalten.

Hamburg. Es ist das Haus mit der größten Schlagzahl an Ausstellungen in Hamburg. Auch während des Lockdowns wurde im Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) fleißig weiter kuratiert und installiert. Mit dem Ergebnis, dass zur doch überraschend schnellen Wiedereröffnung der Museen am 12. März gleich fünf Ausstellungen fürs kulturdurstende Publikum parat standen. Auf den ersten Blick mögen sie komplett unterschiedlich sein, doch ist ihnen ein zentraler Nenner gemein: Es geht um die Gestaltung des Lebens, wobei ein zeitlicher Bogen von 1900 bis in die nahe Zukunft gespannt wird.

In vielerlei Hinsicht geht es auch ums Überleben. Denn dass es um unsere Welt ökologisch, sozial und politisch schlecht steht, ist weithin bekannt. So weitermachen wie bisher, kommt also nicht in Frage. Wie könnte ein Leben aussehen, das keine negativen Auswirkungen auf Mitmenschen, auf Umwelt, Tier- und Pflanzenwelt hat?

Attraktiver Wohnraum wird immer knapper

Das hat sich der Design-Professor Friedrich von Borries gefragt und die „Schule der Folgenlosigkeit“ gegründet. Ende vergangenen Jahres rief er zusammen mit dem MK&G und der Hochschule für bildende Künste (HfbK) dazu auf, Ideen für dieses Projekt einzubringen. Die überzeugendsten Vorschläge, um das Stipendium für Nichtstun zu gewinnen, werden in der Ausstellung bis zum 18. Juli präsentiert. Die dazugehörige App inspiriert zum Mitdenken und Mitmachen.

Kaum ein anderes Thema brennt vielen so unter den Nägeln, erregt die Gemüter und bringt die Menschen auf die Barrikaden wie das Wohnen. Attraktiver Wohnraum wird immer knapper und teurer, aber auch immer begehrter. Gerade die Pandemie hat uns aufs Drastische bewusst gemacht, wie wichtig ein harmonisches, gesundes Umfeld ist und wie sehr wir Gemeinschaft und sozialen Austausch brauchen.

Das MK&G ist mit seinen Themen am Puls der Zeit

Und auch hier zeigt das MK&G wieder einmal, wie sehr es am Puls der Zeit ist. Die Kuratoren Ilka und Andreas Ruby gehen mit ihrer Ausstellung „Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ (ursprünglich für das Vitra Design Museum entworfen) auf unterschiedliche Modelle des gemeinsam konzipierten Lebens ein. Sie zeigen, welche bahnbrechenden Ideen es dazu in den vergangenen Jahrzehnten weltweit schon gegeben hat und wie wir daraus fürs Heute lernen können, veranschaulicht anhand von liebevoll gestalteten Miniaturmodellen und lebensgetreu eingerichteten Wohnräumen.

Zwei Zimmer, eine kleine Küche, Gemeinschaftsraum, Spielplätze, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten für alle – der Traum vom isolierten (und überteuerten) Einfamilienhaus ist hier schnell ausgeträumt, und man bekommt Lust, sich mit der eigenen Wohnsituation auseinanderzusetzen und etwas Neues auszuprobieren. Wie der Siedlungsgedanke der 1960er- und 70er-Jahre weitergedacht werden könnte, zeigt der Hamburger Raum inmitten der Ausstellung, an dem die Behörde für Stadtentwicklung maßgeblich beteiligt ist. Er wird auch über die Laufzeit 5. April hinaus zu sehen sein.

Wenn das Kollegium kollektiv kuratiert

Doch auch Schwelgen im Überfluss ist erlaubt: Eine kleine, feine Schau ist dem Hamburger Raumkünstler Peter Gustaf Dorén gewidmet, der in der Zeit um 1900 Stadtvillen gut betuchter Hamburger, das Hotel Vier Jahreszeiten, die Oper am Millerntor sowie den Austernkeller am Jungfernstieg mit seinen originellen und ästhetisch anspruchsvollen Dekors gestaltete, wobei er mutig in der Farbgestaltung war, von Moosgrün bis Dottergelb. Die Ausstellung präsentiert bis zum 30. Mai anhand von Fotografien, Auszügen aus seinen Entwurfsbüchern und Katalogen der Zeit die kreative Kraft und Vielfalt dieses Ausnahmetalents.

Ein Zeitsprung, 150 Jahre später: Die Welt ist eine wild-bunt-fröhliche Mischung aus Ausstellung, Radiosender, Workshop und Performanceraum. Der britische Designer Jerszy Seymour lädt Künstlerinnen, Aktivisten, lokale Kollektive und Besucherinnen und Besucher dazu ein, sich auf einen Kampf um die Zukunft einzustimmen und jene Welt zu fordern, in der sie leben wollen. Das hätte auch Peter Gustaf Dorén gefallen.

Lesen Sie auch:

Zuletzt nimmt uns das Museum mit in seine Grafikabteilung, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kollektiv kuratiert haben. Für „Tiere, Tampons und Theater“ (bis 4. Juli) wählte jeder sein favorisiertes Plakat aus Werbung, Kultur oder Politik aus, von der Reinmachefrau bis zur Restauratorin. Heraus gekommen ist eine Sammlung sehr persönlicher, lustiger, denkwürdiger Geschichten, an denen man gern hängenbleibt und fasziniert beobachtet, auf welch unterschiedliche Weise Plakate unser Leben abbilden und mitgestalten.

Ein Ausblick auf die zweite Jahreshälfte: Ab Juni widmet sich das MK&G dem Thema „Heimaten“. Anschließend ziehen zwei beeindruckende Frauen in die Räume am Steintorplatz: zum einen die Designerin Christa Petroff-Bohne („Die Schönheit der Form“), zum anderen die Fotografin Hildegard Heise. Und ab dem 3. Oktober wird Geburtstag gefeiert: Dann dürfen Klein und Groß in Janoschs Welt eintauchen.