Hamburg. Die schmucklos gehaltene Bühne ist abgedunkelt. Nur ein weißes, kaltes Licht fällt an die Bühnenwand und erfüllt die Zuschauer mit einer gespannten, wie elektrisierenden Atmosphäre. Dann plötzlich erklingen ohrenbetäubende Trommelklänge. In teils schlangenartigen, jedoch zumeist vor marionettenhaften Bewegungen formieren die Tänzer und Tänzerinnen sich sekündlich neu. Alles passiert synchron, nur jeweils einer der Tänzer sticht heraus, indem seine Bewegungsabläufe von denen der anderen abweichen. Die Bewegungen wirken mechanisch, beinahe roboterhaft. Durch den über Lautsprecher vertonten keuchenden Atem breitet sich ein tiefes Unbehagen im Zuschauerraum des Sprechwerks aus. Und hält an – bis zum Ende der Vorstellung.
Fragen um Identität, Körper und Politik
Bei der von Suse Tietjen choreografierten Tanz-Performance „Der Strom“ präsentiert „The Current Dance Collective“ ein auf die Evolution und den Strom der Zeit anspielendes Stück. Das 2016 gegründete Künstlerkollektiv aus dem Raum Hamburg bewegt sich in seiner Arbeit zwischen Choreografie, Performance und Kunst. Diese Interdisziplinarität ist auch in der Debütaufführung der jungen Gruppe zu sehen.
In der Performance, die mit experimentellen Kurzfilmen sowie fotografischen Arbeiten von Maria Gibert untermalt ist, setzen sich die sieben Tänzer mit kontemporären Fragen um Identität, Körper und Politik auseinander. Vergänglichkeit, Bewegungsfluss, Flüchtigkeit: Die Künstler und Künstlerinnen begeben sich auf die Suche nach der geistigen und körperlichen Bedeutung des namensgebenden Begriffes „Der Strom“. Der Wandel ist auch an ihren sich täglich weiter entwickelnden Choreografien ersichtlich. Die gleichen und doch immer wieder neuen Körperbilder öffnen kontinuierlich neue Assoziationsräume, die jedem Besucher freigestellt sind.
Gefühle unterschiedlichster Art
Wenn diese zeitgenössische Tanzproduktion auch nicht unbedingt etwas für Jedermann ist, so ist es dem Künstlerkollektiv doch gelungen, das Publikum vollkommen für sich einzunehmen. Die während der Performance stark variierenden Darstellungen lösen Gefühle unterschiedlichster Art aus – eine Faszination trotz Unbehagen.
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