Hamburger Krimifestival

Wenn Wunderkinder Angst machen

| Lesedauer: 3 Minuten
Matthias Iken

Der Schriftsteller Marc Elsberg liest aus seinem Wissenschaftsthriller „Helix“ beim Hamburger Krimifestival.

Hamburg.  „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“, wusste schon Albert Einstein. Doch diese Haltung kann die Bestsellererfolge von Marc Elsberg nur halb erklären. Der Österreicher ist Meister eines Genres, das Thriller, Science-Fiction und Sachbuch zusammenführt. Elsberg mischt das Morgen mit dem Möglichen, er entwirft keine fremden Welten, sondern verfremdet unsere Welt. In „Blackout“ beschreibt er die katastrophalen Folgen eines mehrtägigen Stromausfalls in Europa, in „Zero“ die grenzenlose Macht der Datenkraken und die Machtlosigkeit des gläsernen Menschen. In „Helix“, das am 31. Oktober erscheint, widmet er sich der Bio- und Gentechnik. Auch hier gilt: Die Zukunft ist kein Partykeller.

Schon auf der ersten Seite muss der amerikanische Außenminister sterben – dahingerafft von einem mysteriösen, genetisch veränderten Virus. Seine Obduktion schockt dann alle Beteiligten. Ähnlich mysteriös sind Funde in Brasilien, Tansania und Indien: Dort tauchen Nutztiere und Nutzpflanzen auf, die ebenfalls genetisch verändert wurden. Sie sind plötzlich resistent gegen Schädlinge und kommen perfekt mit der Dürre klar – ein Segen für die Kleinbauern, ein Schrecken für die Industrie.

Elsberg verknüpft Fiktion und Realität zum spannenden Plot

Ein dritter Erzählstrang in dem ambitionierten und mitunter fordernden Roman erzählt vom Kinderwunsch des amerikanischen Durchschnittspaares Helen und Greg. Nach vielen Enttäuschungen kommen sie in die geheime Forschungseinrichtung „New Garden“ eines Multimilliardärs. Dort soll nicht nur ihr Kinderwunsch in Erfüllung gehen, mehr noch versprechen die Mediziner dem Paar ein genetisch optimiertes Wunderkind. In „New Garden“ leben bereits etliche hochbegabte Kinder – eines kennt der Leser schon aus einem vierten Erzählstrang: Hier verschwindet die zehnjährige Jill, die für 15 durchgeht und schon an der Universität studiert, spurlos. Es sind Wunderkinder, die Angst machen.

In „New Garden“ wachsen die Erzählstränge schließlich zusammen. Wie in den Büchern zuvor fasziniert Elsberg (49) weniger durch literarisch komponierte Charaktere als vielmehr durch seinen wissenschaftlichen Ansatz und die feine Verknüpfung von Fiktion und Wirklichkeit zu einem spannenden Plot.

Elsberg, der als Werber jahrelang in Hamburg lebte, recherchiert intensiv. Mehrere Jahre arbeitete er an dem Thriller „Blackout“. Der Präsident der Bundesnetzagentur stellte dann 2012 Elsbergs Buch über den Stromausfall vor – ein Ritterschlag. Die Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ kürte „Blackout“ zum „spannendsten Wissensbuch des Jahres 2012“, zwei Jahre später bekam Elsberg die gleiche Auszeichnung für „Zero“.

Bei den Recherchen für „Helix“ musste Elsberg erneut feststellen, dass die Welt längst weiter ist, als wir glauben. „Ich war erstaunt, was bereits jetzt schon alles möglich ist und tatsächlich gemacht wird: von der ,Biologisierung‘ der Wirtschaft bis zu Manipulationen der menschlichen Keimbahn.“ Bei der Lektüre kommt einem auch der Satz des US-Autors Norman Mailer in den Sinn. „Was man heute als Science-Fiction beginnt, wird man morgen vielleicht als Reportage zu Ende schreiben müssen.“

Der Autor liest Hamburger Krimifestival, 3.11., 19 Uhr, Kampnagel, Karten 15,50 bei Heymann, HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32,HA-Tickethotline T. 30 30 98 98; alle Infos: www.krimifestival-hamburg.de