Hamburg. Alle waren sie gekommen: Das Künstlervolk, die Sozial- und Theaterpädagogen und die Menschen mit Behinderung. Ein „erster spielerischer Aufschlag“ sollte es werden, so erklärte Kulturstaatsrat Horst-Michael Pelikahn das „Fest der Ideen“ für Olympia 2024 am langen Montagabend im Altonaer Museum. Im Laufe dessen wurde viel diskutiert, und 15 Kulturschaffende und Behindertenprojekt-Leiter hatten jeweils 90 Sekunden Zeit, um ihre Idee zu präsentieren.
Nun ist es an sich absurd, Künstler in Quizshow-Formate zu zwängen, abgewürgt von der Jazzband und dem smarten Moderator. Es war dann auch tatsächlich problematisch, auf Grundlage der 90 Sekunden eine Entscheidung zu fällen, die am Ende tatsächlich getroffen wurde. Die 50.000 Euro Preisgeld werden nach dem Votum aller 220 Gäste auf sechs unterschiedliche Projekte verteilt – vier für Kultur, zwei für Soziales/Sport/Theaterpädagogik, die dann noch dieses Jahr realisiert werden sollen. Die selbstverständliche Vermischung von Sozialprojekten und Kunst beim „Fest der Ideen“ ist sicherlich im weiteren Verlauf der Kulturinitiativen zu Olympia noch zu hinterfragen. Sehr deutlich wurde aber vonseiten der Diskutanten Amelie Deuflhard, Jude Kelly, Friedrich von Borries, Joachim Lux und Nikolas Hill, dass die Leitlinien für die Kultur-Olympiade nicht ein weiteres repräsentatives Groß-Event beschreiben sollten, sondern „ein Kulturverständnis, das gesellschaftliche Themen aufgreift“, so Friedrich von Borries.
Entsprechend niedrigschwellig waren die Kunstprojekte, die in die engere Wahl fielen. Es sei wichtig, „der Kultur ihre Mehrdeutigkeit und Komplexität zu lassen“, sagte Jude Kelly, Ex-Vorsitzende des Londoner Bewerbungsteams Kultur und Zeremonien 2012, „und es ist Aufgabe der Kultur, widersprüchliche Geschichten zu thematisieren.“
Ungewohnt gefühlvoll trat Michael Neumann, Senator für Inneres und Sport, vors Publikum. Er betonte, dass Deutschland ein Ort der Hoffnung und der Sehnsucht geworden sei, eine bunte Republik, in der es friedlich, demokratisch und anständig zugehe: „Ich bin manchmal traurig, wenn wir über zu viele Steine sprechen. Olympia als Frage der Herzen und der Köpfe – das kommt mir manchmal zu kurz.“ Sport sei ein Teil von Kultur, da müsse es auch darum gehen, „was das ist, was uns in Deutschland zusammenhält“. Kultur sei einer der besten Wege dafür, Antworten darauf zu vermitteln.
Viele Kulturschaffende haben ihre Ideen vorgetragen, gewählt wurden die von Mariola Brillowska, Adnan Softic und Jan Holtmann, außerdem der ehrgeizige Plan des Konservatoriumschefs Markus Menke, mit Kindern aus allen Stadtteilen singend und trommelnd etwas Musikalisch-Olympisches zu proben und aufzuführen. Christina Fritsch („Coolympia“) überzeugte mit ihrer Performance- und Video-Idee, den täglichen aufreibenden Hindernislauf behinderter Menschen im Alltag zu dokumentieren, außerdem gewann die gut vernetzte Arbeit des „Büros für die Durchsetzung inklusiver Olympischer Spiele“ an einer Vision davon.
Die Performerin und Künstlerin Mariola Brillowska, die seit 20 Jahren in St. Georg wohnt, plant nun, auf die weißen Fassaden repräsentativer Bauten des Viertels ein Feuer zu projizieren, zu dem dann echte Feuerwehrmänner anrücken sollen. Die Künstlerin will damit der „brutalen Gentrifizierung“ ihres Stadtteils entgegentreten. Auch der Dokumentarfilmer Adnan Softic, geboren in Sarajewo, wurde ausgewählt. Er will die Bewohner der Veddel, wo das Olympiadorf geplant ist, bitten, ihre Lebensgeschichten zu erzählen, die dann von anderen vorgetragen werden. „Vielleicht erscheinen wir uns näher als erwartet. Vielleicht beginnen wir zu spüren, warum wir nicht in vielen Sachen in eine Einheit verschmelzen können und sollen“, sagt Softic.
Der dritte Künstler ist Jan Holtmann, der per Losverfahren zehn bis 15 Menschen an einen Tisch ins „Restaurant Olympia“ holen will, errichtet in privaten Wohnungen und mit einer vom Künstler Armin Chodzinski permanent gestalterisch ergänzten Olympiatischdecke. Einzig Deichtorhallenchef Dirk Luckow sprach mit seinem Vorschlag eines Interviews mit Ai Weiwei und Herzog & De Meuron eine große städteplanerisch-soziale Vision und deren Reflexion durch einen Künstler an. Da war er, der internationale Glanz im Zusammenhang mit Kultur für Olympia. Er glomm nur ganz kurz auf.
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