Opera stabile

Triumphale Uraufführung von „Weine nicht, singe“

| Lesedauer: 2 Minuten
Verena Fischer-Zernin
Ruth Rosenfeld (Altai) und Tina Keserovic
(Mira)

Ruth Rosenfeld (Altai) und Tina Keserovic (Mira)

Foto: Hans Jörg Michel

Das Stück gewährt keinen Moment der Entspannung. Jette Steckel hat einen wahren Totentanz inszeniert.

Hamburg.  Die Kleine hat alle im Griff. Still, ruft Mira ins abebbende Gemurmel, Zeno schlafe. Und schon sind die Anwesenden mittendrin in der Uraufführung von Michael Wertmüllers „Weine nicht, singe“. Das Musiktheater ist der Schlussstein in der Trias, mit der die Staatsoper am Wochenende die Ära Delnon/Nagano eingeläutet hat.

Warum Zenos Schlaf beschützt werden muss, das wird sich noch erschließen. Die Dringlichkeit von Miras Mahnung aber, die wirkt sofort. Für gute eineinhalb Stunden kauert das Publikum in der pechschwarzen Opera stabile auf hölzernen Quadern im knirschenden schwarzen Granulat und wagt kaum zu atmen, so nervenzerfetzend ist es, was die fünf Protagonisten verhandeln.

Dea Loher hat für ihr Libretto die zwischenmenschliche Tragödie des Nahostkonflikts gleichsam in eine Nussschale gegossen. Da kommt ein ehemaliger Nachbar nach 15 Jahren zurück, um Schulden zu begleichen. Für die ganze Summe allerdings hat die Zeit nicht gereicht. 15 Jahre reichten nicht. Für den Versuch, die Grenze zu überwinden, hat Aki immer wieder für Jahre im Gefängnis gesessen. Und beide Seiten blieben ohne jede Nachricht voneinander. Mit fatalen Folgen, die bis in die Gegenwart hinein wirken.

Das Stück gewährt keinen Moment der Entspannung. Jette Steckel hat einen wahren Totentanz inszeniert. Immer wieder dröhnen Raketen. Josef Ostendorf als Großvater Zeno ist zwar an Kopf und Geist versehrt von Granatsplittern, aber dennoch das moralische Herz in dieser Auseinandersetzung zwischen dem Heimkehrer Aki, mutmaßlich Palästinenser, und der mutmaßlich jüdischen Familie.

So wie jeder von ihnen an seiner Wahrheit zugrunde geht, so entäußern sich die Darsteller: Jürgen Sacher schraubt sich in höchste Tenorhöhen, wenn sein Ron um Fassung ringt, Ruth Rosenfeld als Rons Frau Altai fällt von einer Hysterie in die nächste, Holger Falk gestattet seinem Aki zwischen hypermotorischen Anfällen anrührende lyrische Momente. Und die Schauspielerin Tina Keserovic, die sich der 15-jährigen Mira bis in die Stimmfärbung anverwandelt, könnte allein den Abend tragen. Das ließe sich freilich von jedem Mitwirkenden sagen. Auch vom Dirigenten Titus Engel, der unaufhörlich mittanzt in diesem mitreißenden Mix aus Zwölftonmusik und Heavy Metal. Und von jedem der hochvirtuosen Musiker von Ensemble Resonanz und Steamboat Switzerland.

„Weine nicht, singe“ 23./24./26./30.9., 1. 2.10.jeweils 20.00; 27.9., 18.00. Karten (35 Euro) unter
T. 35 68 68.

( vfz )