Philipp Hochmair gibt am Sonntag den “Gestiefelten Kater“ im Thalia. Für den eigenwilligen Österreicher womöglich eine weitere Lebensrolle

Hamburg. Die Augen blitzen hinter der Glasscheibe. Philipp Hochmair winkt einladend. Er sitzt am Fenster eines Cafés bei seinem Frühstückstee, stärkt sich für die Endproben zum "Gestiefelten Kater". Der Star aus dem Wiener Burgtheater spielt in Wolf-Dietrich Sprengers Inszenierung des Grimm-Märchens im Thalia die Titelrolle: ein schlaues Tier, einen Überlebenskünstler, der sich durchschlägt und zu behaupten weiß, genau wie der österreichische Schauspieler, den Thalia-Intendant Joachim Lux neu ins Ensemble geholt hat.

"Der Kater ist auch ein Teufel, ein Mephisto für Kinder", witzelt der Komödiant mit dem diabolischen Bühnencharisma. Gerade war er noch als "Geist, der stets das Böse will und doch das Gute schafft" in einer öffentlichen Probe zu Nicolas Stemanns Goethe-Projekt zu sehen. "Jetzt das lustige Fabelwesen zu spielen macht mir einfach Spaß", sagt er. Hochmair ist ein drahtiger Mittdreißiger, doch seine nackten Füße lässt er wie ein unartiger Junge über seinen Holzpantinen baumeln. "So lauf ich immer rum", sagt er nur. Er hat auch Goethe barfuß gespielt. Als Kater muss er nun rote Stiefel tragen, aber ein Ganzkörperkostüm aus Fell wollte er nicht anziehen. "Wir machen doch nicht Cats." Sein anarchisches Vieh spielt er lieber mit bloßem Oberkörper und angeklebtem Schnurrbart.

Amüsiert zeigt er das Foto auf seinem Handy, spricht melodisch mit leichtem Wiener Akzent und gestikuliert lebhaft. Immer irgendwie in Bewegung. Auf der Bühne friere er auch ganz ohne Kleider nicht, "ich koche innerlich, wenn ich spiele, ich kann mich gar nicht verkühlen. Bin ich in Form und weiß, worum es mir geht, ist mir richtig heiß," sagt er. Außerdem liebt es Hochmair, das Publikum, die Umwelt und sich selbst zu provozieren. Mal trägt er Lederhosen, natürlich als ein ironisches Trachtenzitat. Oder das Adamskostüm auf Waldspaziergängen. "Ich bin der einzige Schauspieler, der nackt in der Ehrengalerie des Burgtheaters steht." Lebensgroß. Der Bildhauer Fabian Fink hat eine Skulptur von ihm geschaffen, die auch eine Briefmarke ziert.

"In Österreich wird viel veredelt", bemerkt der bescheiden, selbstkritisch gebliebene Künstler spöttisch. "In Wien ist man schnell berühmt und im Mittelpunkt der Welt, was doch gar nicht stimmt." Hochmair will sich in Hamburg neuen Anforderungen stellen. "Hier ist eine härtere Situation. Die Kultur hat es viel schwerer als in Wien, muss um ihre Existenz kämpfen." Ein Magnet für ihn war, dass er am Thalia nach sechs "Burg"-Jahren die Arbeit mit Nicolas Stemann fortsetzen kann.

Die beiden sind sich am Max-Reinhardt-Seminar in Wien begegnet. Sie hielten Kontakt, wo der Meisterschüler von Klaus Maria Brandauer bei Stemanns ersten Projekten in Hamburg mitspielte. Ein absoluter Gegensatz. "Aber ich hab bei Brandauer viel gelernt, auch wenn er einen so lange anschrie, bis man machte, was er wollte: Dieser Finger gehört Marc Anton und nicht einem Bergarbeiter." Den spielte Hochmair sieben Sommer lang bei Brandauers Stück in einem Altausseer Stollen. "Es war eine tolle Zeit."

Aber nicht unbedingt Hochmairs Herzenssache. Die betrieb er mit Stemann auf Kampnagel. "Wir haben nach einer gemeinsamen Ausdruckssprache im Theater gesucht und sie einfach ausprobiert. Nicolas schreibt die Stücke mit den Schauspielern neu, er lässt auf der Probe nicht Töne üben, das interessiert ihn nicht", beschreibt er den Arbeitsprozess. "Wir lassen uns vom Stoff zersetzen, kochen uns gemeinsam in einem Sud gar, bis etwas Neues, für uns Unbekanntes herauskommt." Jedes Mal ein Wagnis. Auch für Hochmair, der volles Risiko spielt, wie ihm Intendant Lux bescheinigt. Als Chefdramaturg an der "Burg" hatte er den "Körperterroristen" bereits im Blick. "Philipp will sich spüren, nicht nur eine Rolle spielen. Er ist neugierig auf den Beruf und sich. Immer offen für Neues. Vielleicht wird der Kater seine Lebensrolle."

Der "Werther!" ist schon eine. Seit 14 Jahren spielt Hochmair sein Solo, das er mit Stemann in einer Nürnberger Schule entwickelte. Der spätere Kult-Hit wurde zur Keimzelle für das Dreamteam. Und die weiteren Hochmair-Soli "Amerika" und "Der Prozess". "Die muss ich machen, es ist ein Trieb von mir." Bereits mit 17 Jahren hat er das Wilde-Märchen vom "Eigensüchtigen Riesen" vor Kindern gespielt. "Ich habe es schon damals als erfrischend empfunden. Das setzt Energie frei."

Aus der Off-Szene hat es der Schauspieler an die "Burg" und ans Thalia geschafft. "Eigentlich ein großes Glück", wundert er sich. Nicht der klassische Karriereweg, sondern sein eigener. Weil er gar nicht anders konnte und sich treu geblieben ist. Trotz der Erfolge hält sich Philipp Hochmair ständig in Bewegung und ist rastlos auf Suche nach der Kunst. Ein vor Begeisterung, Energie und manchmal auch vor Verzweiflung glühendes Theatertier.

Der gestiefelte Kater 7.11., 14.00, Thalia-Theater, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de