Hamburg. Wo fängt der Witz an, wo hört der Spaß auf? Und was ist überhaupt lustig? Über diese Fragen kann man sich stundenlang den Kopf zerbrechen. So lange, bis einem das Lachen fast im Hals strecken bleibt. Die Männer und Frauen, die sich in einem Saal im Hinterhof an der Oelkersallee in Altona-Nord versammelt haben, tun es freiwillig. Nach Feierabend.
Sie sitzen an in U-Form aufgestellten Tischen. Es sieht aus wie Schule – und ist es auch. Die Erwachsenen hier sind quasi Pioniere, sie sind Teilnehmer des ersten Ausbildungsgangs der Schule für Comedy. Jenes Genre also, das längst Teil des Unterhaltungsgeschäfts ist, ob eines nach unten offenen Niveaus für manche jedoch fast schon zum roten Tuch geworden ist, sich aber weiter wachsender Beliebtheit erfreut.
Lustig zu sein ist indes gar nicht so einfach, es zu lehren ebenso wenig. 2002 hatte die Köln Comedy Schule nach vier Jahren wieder geschlossen – obwohl Köln auch außerhalb der Karnevalssaison als Hochburg des deutschen Frohsinns gilt. Seit Herbst vermittelt nun die Schule für Comedy in Hamburg mit dem dreimonatigen Eröffnungsseminar an zwei Abenden pro Woche das Wissen für den Witz.
„Textentwicklung & Bühnenpräsenz“ stehen auf dem Lehrplan. „Es könnte sein, dass ihr nach diesem Seminar einiges weniger lustig findet als vorher“, sagt Ralf Schulze. Der Hamburger Kreativkopf, Hauptautor des fernsehbekannten Franzosen Alfons und Improvisationstheater-Schauspieler, gibt mit Partnerin Charlotte Wolff, Schauspielerin und Sängerin, Anleitungen zum Lustigsein. „Bloß nicht den besten Gag der Welt schreiben wollen!“, raten die Profis den Probanden. „Humor ist etwas ganz Zerbrechliches“, lautet Schulzes Erfahrung. Und das Texten für Comedy, weiß er als einstiger Gag-Lieferant für Entertainer Harald Schmidt, sei nur zu zehn Prozent Schreiben, aber zu 90 Prozent Umschreiben.
Da müssen manche der Teilnehmer erst mal schlucken. Vor allem die Themenfindung macht den Anfang schwer – ihre Hausaufgabe. Alle möglichen Berufsgruppe und Altersschichten sind am Start: Daniel etwa, der junge Apotheker, der aus Kundengesprächen schöpfen will. Willi, der pensionierte Mathelehrer, oder die Bremerin Britta, die nach ihrer Ausbildung an der Schule für Schauspiel Hamburg ein weiteres künstlerisches Standbein sucht, aber partout keine eigenen Textideen hat.
Übungen zur Körperwahrnehmung, zu Stimm- und Sprecherziehung sind für sie nichts Neues. Das Assoziieren zu Begriffen soll allen helfen, auf lustige Ideen zu kommen. Übungen wie das Schreiben eines Oneliners – ein Witz in einem Einzeiler, wie ihn in den 70ern der Hamburger Komiker Fips Asmussen („Oaah, meine Frau ist so heiß, da muss ich abends immer Topflappen mit ins Bett nehmen“) ohne viel Theorie zum Besten gab – oder das Aufbauen einer Punchline, früher als Pointe geläufig, ergänzen das Programm.
Für 20 Unterrichtsstunden zahlt jeder Teilnehmer 199 Euro pro Monat.
Ein anderer Abend im Schulungsraum: Cem Ali-Gültekin, künstlerischer Leiter, bittet die Teilnehmer um ein Zwischenfazit. Der Schauspieler und Comedian, Absolvent der Schule für Schauspiel Hamburg, hat die Schule für Comedy mit Jan Harries, Geschäftsführer der Kreativagentur jwh Entertainment, gegründet. Gültekin, als Außenreporter „Rollo“ auch im ARD-Satiremagazin „extra 3“ zu sehen, macht den Neulingen Mut. Auch der aus Russland stammenden Irina, die von sich sagt, sie sei total schüchtern. „Geht mit offenen Augen durch die Stadt!“, rät Gültekin seinen Schülern zwecks Themensuche. „Wenn es auf der Bühne lustig ist, macht es!“, sagt der 33-Jährige.
„Was verdient ein Comedian?“, fragt einer offen und etwas naiv. „Geld verdienen werdet ihr am Anfang erst mal nicht“, schenkt Cem Ali allen reinen Wein ein. „Ihr werdet eher draufzahlen, plus minus null ist schon gut.“ Wenn ein Comedian richtig Geld verdienen will, braucht er ein Soloprogramm, weiß Gületkin. Mit seiner Hilfe soll jeder Schüler erst mal zehn Minuten Programm für eine Abschlussaufführung Anfang Februar auf St. Pauli entwickeln. Dafür gibt ihnen der Coach Tipps zum Sprechen, Textlernen und zur Präsenz. „Stimmt die Körperhaltung zum Gesagten?“ – auch das sei entscheidend. Dann sei es auch egal, ob das Thema Sinn mache oder nicht. Gültekin rät den Schülern, sich auf ein bis zwei Themen zu konzentrieren.
Szenenwechsel, es ist Januar. Von den zeitweise 17 Teilnehmern sind noch 13 dabei. Nachdem sie bei einer internen Aufführung vor Freunden und Verwandten erste Erfahrungen gesammelt haben, hat Comedy-Coach Gültekin ihnen nahegelegt, ihre Nummern bei sogenannten Open Mikes zu verfeinern, auf offenen Bühnen also.
Auch René hat sich daran gehalten. Der gelernte Industriekaufmann ist als Moderator auf Kreuzfahrtschiffen, am und im Stadion des HSV sowie nach fünf Jahren Improvisationstheater einer der erfahrensten Seminar-Teilnehmer. Der 38-Jährige, dank mächtiger Statur und Stimme weder zu überhören noch zu übersehen, hat als Thema Geschichten aus der Eckkneipe gewählt. „Dort ist das pralle Leben“, sagt er. Am Schreibtisch hat er Dialoge geschrieben, Stand-up-Szenen, dazwischen Oneliner, ganz nach dem Motto: „Lieber zehn Gags, als als nur auf einen guten zu hoffen.“ Bei Gültekin hat René gelernt, Haltung zu bewahren – im doppelten Sinn. „Wie stell ich mich hin? Damit geht es schon los“, plaudert er aus der Schule. Dafür aber musste erst mal der Text reifen.
Lehrmeister Cem-Ali ist angetan von seinen Schülern. Dass Gültekin und sein Partner Harries, auch Betreiber der rollenden Bus-Bühne „Comedy-Tour“, mit der Schule das komische Level anheben, habe er sich erhofft. Eine gute alte Comedy-Regel lautet: „Wenn du eine Nummer schreibst, muss du sie 20-mal spielen, bis sie funktioniert.“ Zwischen den Unterrichtseinheiten hätten die Teilnehmer auch an der Struktur der Texte gefeilt, und in der Schule hat Gültekin mit ihnen an den Figuren gearbeitet.
So macht Willi, der pensionierte Mathelehrer – vom Wesen her eigentlich ein lieber Kerl – jetzt auf strenger Pauker und äfft seine teils renitenten Ex-Schüler nach. (Späte) Rache ist süß. Die anfangs so schüchterne Irina spielt nun mit dem Image der sexy Russin. Und die fertige Schauspielschülerin Britta erzählt mangels anderer Textideen jetzt einfach auf komische Art vom Job als Aushilfe im Café. Mitten aus dem Leben also.
Schon im April startet in der Schule für Comedy das nächste dreimonatige Seminar, spätestens 2016 soll ein sechsmonatiger Aufbaustudiengang beginnen. Ziel von Gültekin und Harries ist die Anerkennung des Berufs Comedian. Staatlicher Diplom-Komiker? Was im ersten Moment klingt wie ein Witz, könnte dann in Hamburg schon Wirklichkeit werden.
Abschlussveranstaltung Fr 6.2., 20 Uhr,
Olivias Show Club, Gr. Freiheit 27, Eintritt 5 €; Internet: www.schule-fuer-comedy.de
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live