Die neue Metropolitan Gallery in der HafenCity eröffnet mit der weltweit bekannten Malerin Lita Cabellut. Sie verbrachte ihre Kindheit auf der Straße.

Hamburg. Als Lita Cabellut mit 13 Jahren zum ersten Mal den Prado in Madrid betrat, da war es, als öffnete sich der Himmel. Als Tochter einer Prostituierten war sie vom Leben gebeutelt und hatte überwiegend auf der Straße gelebt, bis eine Adelsfamilie sie im Alter von zwölf adoptierte. Von da an ging sie zum ersten Mal zur Schule – und entdeckte die Welt der Kunst und des Geistes. Ihre Welt.

Immer wenn ihre neue Familie in Madrid war, bat sie fortan darum, den ganzen Tag im Museum sein zu dürfen. Was sie dort sah, das sog sie in sich auf und hielt es in ihrem Inneren fest, bis sie umsetzte, was sie von Anfang an gefühlt hatte: Sie studierte an der Amsterdamer Rietveld Akademie und wurde Malerin. Inzwischen ist Lita Cabellut weltbekannt. Sie hat einen Galeristen in Paris, London und New York, sie stellte in Moskau, in Hongkong oder Singapur aus, in Schweden, den Niederlanden und in Indien. Der Regisseur Danny Boyle („Trainspotting“) schreibt seit 2013 an einem Drehbuch über ihre unglaubliche Lebensgeschichte.

Mit dem Motorrad durch die Sahara

Gregor Bröcker, 48, kommt dagegen aus einer völlig anderen Welt. Er ist groß und präsent, hat sehr helle Augen und spricht schnell und prägnant. Als junger Heißsporn ist er mit dem Motorrad durch die Sahara gebrettert, viele Jahre lang war er spezialisiert auf die Eröffnung und Leitung von Hotels im In- und Ausland. Weil ihn die Bilder von Lita Cabellut nachgerade umgehauen haben, hat er vor zwölf Jahren sein bisheriges Leben aufgegeben – um Galerist zu werden. Zuerst in Timmendorfer Strand, und jetzt auch in Hamburg. In der HafenCity. Damit hat er sich seinen Lebenstraum erfüllt: „Ich habe so tolle Maler und Schriftsteller kennengelernt – die haben mein Leben bereichert. Kunst macht mich glücklich.“

Ganz von vorn hat Gregor Bröcker angefangen, bei Galeristen gearbeitet und später als Kunst-Agent das Metier kennengelernt. Das wiederum war ihm „zu emotionslos“. Er wollte mit denen arbeiten, die er selbst entdeckte. Künstlern wie Lita Cabellut, für die er, zu allem entschlossen, „30 Türen aufmachen musste, um an sie ranzukommen“.

Von jetzt an versucht der Quereinsteiger unter den Galeristen, „Kunst leichter zugänglich zu machen. Denn ich behaupte, dass Kunst viele Menschen läutern kann.“ Ein Besuch in einer normalen Galerie sei doch ziemlich abschreckend, findet er. Deshalb gibt es auf der einen Seite seiner neuen Doppel-Galerie eher „die gängigen Sachen“, Editionen oder prominente Fotografien und in der anderen, separierten Hälfte die edle Kunst, schön und oft auch kostspielig. Wie die Bilder von Lita Cabellut, die zwischen 22.000 und 180.000 Euro kosten. Mit einer großen Schau der Katalanin hat Bröcker jetzt eröffnet.

Tradition mit Moderne taufrisch verbunden

Die Bilder sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Die Künstlerin hat die alten Meister nicht nur studiert, sie hat die Tradition mit der Moderne verbunden und taufrisch wieder auf die Leinwand gebracht, sodass man denkt: Hier hat das Figürliche lässig die oft trockene Konzeptkunst abgehängt. Goya, Velazquez, Frans Hals, Tizian, Dürer, Rembrandt, Tintoretto – bei solchen Malern hat Lita Cabellut die Technik studiert, den Umgang mit Farbe, Untergrund, Firnis, Licht und Raum. Sie hat sich angeschaut, wie diese Künstler menschliche Haut malen, Blicke, Haltung oder Kleidung wiedergeben – und wie sie Wirkung erzielen. Die Malerin, klein, mit schwarzen Locken, verkrümelt sich bei der Eröffnung ganz gern an den Rand. Sehr freundlich ist sie, bald wandelt sich das in echte Herzlichkeit – und man spürt jene Leidenschaft, die aus ihren Bildern strömt. Seit 35 Jahren malt sie und wagt sich bisweilen sehr weit vor, was die Farben angeht. Manchmal zu weit, dann wird es kitschig.

Für zwei Ausstellungen in Asien malte sie eine Serie theatralisch inszenierter Frauen, meist mit gesenktem Blick, und pinkfarbenen Akzenten auf Wimpern oder Augenlidern. Scheu, Stumpfheit, Trauer, oder Schmerz liest man aus ihren Augen – und in allem entfaltet sich eine Wirkung von erhabener Schönheit und Geheimnis. Es sind Menschen im Vollbewusstsein ihrer Stärke, oder Gestrauchelte, gefangen in ihrer Traurigkeit. Diese Malerin kümmert sich augenscheinlich nicht um das, was in der Szene gerade angesagt ist: „Alles geht heute zu schnell. Alles bewegt sich – aber, um wohin zu gehen? Alles ist doch in uns! Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Ich male, um die Welt besser zu machen, die doch mit Schönheit und Poesie angefüllt ist. Wir leben im Goldenen Zeitalter des Wissens, und auch wenn mein Herz gebrochen ist nach den Anschlägen in Paris, glaube ich an die Menschlichkeit!“

Nie haben die Menschen, die sie ausschließlich porträtiert, einen eindeutigen Ausdruck, immer gibt Lita Cabellut Raum für andere Sichtweisen. „Die Wahrheit existiert nicht. Und meine Bilder geben nichts Endgültiges wieder.“ Ihren Modellen zieht sie gern prächtige Kostüme an und entfesselt in den Flächen, den Haaren, dem Kleid oder Wams, ein Fest freier Malerei. Während Gesichter, Hände oder Arme bisweilen fast fotorealistisch genau wiedergegeben sind, in feinster Textur, wirken die Kleider, die silhouettenhaft vor den Hintergrund gesetzt sind, meist flächig, fast wie draufgesetzt. Hier und in den Malgründen spielt die Malerin mit Pinselstärken, Farben und poppigen Akzenten. Diese Bilder sind in all ihrer motivischen Begrenztheit von ekstatischer Kraft. Unbedingt ansehen!

Lita Cabellut bis 28. Februar, geöffnet täglich 12 –18 Uhr, Metropolitan Gallery, Sandtorpark 2.